Schönebeck. Es waren einst zwei Brüder, die von Vegesack in die Welt hinauszogen. Ihr Ziel: das damalige Deutsch-Südwestafrika. Von 1884 bis 1915 war das heutige Namibia deutsche Kolonie. Dorthin verschlug es Johann Hinrich (Jan) und Fritz Gaerdes vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Ausstellung im Museum Schloss Schönebeck erinnert an die beiden Vegesacker, die in Afrika ihr Glück suchten und fanden.
Für das Museum ist die Schau eine Gelegenheit, Schätze aus dem Archiv ans Licht zu holen. Der Museumsverein-Vorsitzende Holger Schleider hat die Schau zusammengestellt. „Die Gaerdes-Brüder ließen den Kontakt zu ihrer früheren Heimat und zum Schönebecker Museumsverein nie abreißen“, erzählt er. Manches Exponat aus der fernen Kolonie gelangte so ins Schloss. Im Laufe von Jahren kam eine stattliche Zahl zusammen. Das meiste lagerte bislang verborgen im Archiv.
Neben dem Afrikaforscher Gerhard Rohlfs, dem im Museum ein ganzer Raum gewidmet ist, führen die Brüder Gaerdes in der Dauerausstellung laut Schleider eher ein Schattendasein. „Es gibt im Obergeschoss eine kleine Gaerdes-Ecke, die aber niemand so recht zur Kenntnis nimmt“, bedauert Schleider. Die Sonderausstellung in der großen Halle macht das nun wett. Den Anstoß gab ein Buch. Lisa Pesch, eine Tochter von Jan Gaerdes, beschreibt darin das Leben ihrer Eltern auf ihrer Farm im Sandveld. Peschs Schwester Marianne Gärdes, die in Aumund lebt, überreichte das Werk im vergangenen Jahr dem Museumsverein.
Der Apotheker Jan Gaerdes wanderte 1913 als erster nach Deutsch-Südwestafrika aus. 1921 folgte ihm sein Bruder Fritz, ein Lehrer und Spezialist für Naturgeschichte. Jan Gaerdes (1889 bis 1981) diente zunächst in der deutschen Schutztruppe. Mitte der 1920er Jahre und inzwischen verheiratet, erfüllte er sich in Okahandja in der Nähe von Windhuk seinen Traum von einer eigenen Farm. Historische Fotos zeigen die mühsamen Anfänge. Eine einfache Lehmhütte diente als erste Unterkunft, machmal musste im Freien unter einem Zeltdach zwischen Bäumen übernachtet und gekocht werden. Andere Aufnahmen zeigen die Farmbesitzer und einheimische Helfer beim Melken, Maishacken mit dem Ochsenpflug und der Heuernte. Neuere Fotos geben Einblick in das heutige Leben auf der Farm, die nach wie vor im Besitz der Familie ist.
Fritz Gaerdes (1892 bis 1975) arbeitete als Lehrer. Außerdem erwarb er sich einen Ruf als Forscher südwestafrikanischer Insekten. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, einige sind im Schloss zu sehen. Außerdem initiierte er die Einrichtung eines Naturparks bei Windhuk.
Auch Jan Gaerdes widmete sich nach der Übergabe der Farm an seinen Sohn Friedrich wissenschaftlichen Arbeiten und ging wie sein Bruder unter die Autoren. Er erforschte prähistorische Wohnstätten und Felsmalerien, schrieb Artikel über den Wildbestand und Jagdmethoden.
Die Brüder teilten die Leidenschaft für die Großwildjagd. Auf Fotos posieren sie neben einem erlegten Löwen, einem Nashorn und einer Antilope. Ein Kudu-Gehörn und andere Trophäen sind im Schloss zu sehen. Dazu gehören auch die Schädel eines Warzenschweins und einer Tüpfelhyäne, zwei Leihgaben des Übersee-Museums. Andere Exponate geben Einblicke in die Kultur der Einheimischen. Ein Kopfschmuck der Okavango-Buschleute, Ketten aus Straußeneier-Schalen, Holzgefäße verschiedener Stämme mit Schnitzmotiven, Trommeln und weitere Musikinstrumente sowie Stammeswaffen sind zu sehen.