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Die unbekannten Seiten des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs Ausreißer, Abbrecher, Wohltäter

Er ist die historische Ikone Vegesacks: der Afrikaforscher Gerhard Rohlfs. Seine Biografie allerdings zeigt auch unerwartete Aspekte.
30.07.2013, 05:00 Uhr
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Von Ulf Fiedler

Er ist die historische Ikone Vegesacks: der Afrikaforscher Gerhard Rohlfs. Seine Biografie allerdings zeigt auch unerwartete Aspekte.

Vegesack. Durch die nach ihm benannte Straße ist sein Name ständig gegenwärtig. Gerhard Rohlfs als Afrikaforscher – so hat sich der bekannteste Vegesacker ins Gedächtnis der Stadtgeschichte eingeprägt. Wie aber gelangte der 1831 als Sohn eines Wundarztes in Vegesack geborene Rohlfs zu seinem hohem internationalem Ansehen?

Auf den ersten Blick vermutet man eine zielstrebige, auf Studium und Erfolg klar ausgerichtete Karrierelaufbahn. Seine Biografie dagegen erscheint mehr als verwirrend. Nichts deutet auf spätere Verdienste hin. Zählt man die einzelnen Stationen seiner wechselvollen Biografie auf, erscheint seine erste Lebenshälfte wie ein außerordentlich schwieriger Selbstfindungsprozess. Einzelne markante Daten kennzeichnen Brüche in seiner Lebensgeschichte.

Zunächst von Hauslehrern unterrichtet, besuchte er später das Gymnasium in Osnabrück. Mit 16 Jahren riss er von dort aus, um in Amsterdam auf einem Übersee-Segler anzuheuern. Seine Mutter und Schwester holten ihn zurück. Nach Schulabschluss meldete er sich freiwillig zum Militärdienst, zunächst in Bremen, dann in Schleswig-Holstein. Nach Beendigung des Deutsch-Dänischen Krieges studierte er von 1851 bis 1855 Medizin an verschieden Universitäten.

Auch das Studium brach er ab. Er ging nach Frankreich und kam nicht ganz freiwillig zur Fremdenlegion. Als Feldarzt betrat er zu ersten Mal afrikanischen Boden. Hier scheint er seine Bestimmung gefunden zu haben. Die Sehnsucht nach Fremde und Abenteuer gepaart mit wissenschaftlich forschender Neugierde fand auf diesem Kontinent ihre Erfüllung.

So kehrte er nach der Entlassung aus der Legion nicht nach Deutschland zurück, sondern blieb in Afrika. Dort verdingte er sich als Militärarzt des Sultans von Marokko. Er kleidete sich wie ein Moslem, lernte Arabisch und notierte eifrig in seinem Tagebuch, was ihm an geografischen Besonderheiten sowie den Sitten und Gebräuchen der arabischen Bewohner bemerkenswert erschien. Durch den Geografen August Petermann gelangten seine Aufzeichnungen nach Deutschland und fanden breite Anerkennung. Vom Bremer Senat erhielt er die Mittel zu einer zweiten Expedition.

Gerhard Rohlfs wurde in Berlin von Bismarck empfangen, der sich ausführlich berichten ließ. Alle weiteren Reisen und Expeditionen, insgesamt waren es acht, wurden großzügig gefördert und erhielten offiziellen Charakter. Die Krönung seiner Laufbahn war die Ernennung zum Generalkonsul des Deutschen Reiches in Sansibar 1885. Eine Position, die ihm nicht lag und die er im gleichen Jahr wieder aufgab.

1870 hatte er sein Frau Lony, geborene Behrens geheiratet und sich in Weimar eine prächtige Villa bauen lassen. Er avancierte zum viel gelesenen Reiseschriftsteller und gesuchten Vortragsredner. Aus dem unruhigen jungen Mann war ein wohlhabender und anerkannter Wissenschaftler geworden. Der Komponist Franz Liszt zählte ebenso zu den Gästen des Hauses wie Fritz Reuther, der junge Pianist Eugene d`Albert, Helmuth Graf von Moltke und viele damals bekannte Künstler und Wissenschaftler. 1889 zog Gerhard Rohlfs wegen seiner angegriffenen Gesundheit nach Bad Godesberg.

Gerhard Rohlfs war häufig zu Besuch in seiner Vaterstadt. Mehrfach hielt er Vorträge, so 1867, wo er über seine Reisen berichtete. Der Reingewinn dieser gut besuchten Veranstaltung von 200 Mark ging an die Vegesacker Waisenanstalt. Auch 1875 erwiderte Rohlfs eine Einladung und plauderte in Vegesack zugunsten der Waisen. In den Tonhallen fesselte der Afrikaforscher 1883 über 400 Personen mit seinen Schilderungen. Auch von diesem Besuch profitierten die Waisen mit 200 Mark .

In seinem Testament bestimmte er, dass die Stadt Vegesack zehntausend Mark erhalten sollte. Aus den Zinsen sollten jedes Jahr 100 Mark entnommen werden, um damit den besten Schüler und die beste Schülerin der Volksschule jeweils mit 50 Mark zu belohnen. Von 1919 bis 1923 wurde dieses Vermächtnis erfüllt. In der Inflationszeit schmolz der Betrag so zusammen, dass eine Fortsetzung unmöglich wurde.

Lony Rohlfs bestimmte in ihrem Testament, dass nach dem Willen ihres Gatten eine Anzahl von Möbeln, Büchern, Gastgeschenken, Orden und anderen Utensilien sowie der gesamte Schriftwechsel ihre Mannes an den Vegesacker Heimatverein fallen sollte.

Im Gerhard-Rohlfs-Zimmer im Schloss Schönebeck findet der Besucher eine Fülle von Material aus dem Leben und Wirken des Forschers und Schriftstellers. 1910 wurde die ehemalige Lange Straße dann in Gerhard- Rohlfs-Straße umbenannt. Der Ernennung zum Ehrenbürger kam 1896 sein Tod zuvor. Das Grab der Familie Rohlfs befindet sich noch heute auf dem Vegesacker Friedhof.

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