Bardenfleth. Die Themen Leben, Sterben und Tod beschäftigen die Bardenfletherin Silke Mertens schon lange. Die 54-Jährige hat viele psychologische Ratgeber über den Umgang mit Krankheit, Unfall, Trennung und den Tod gelesen. Jetzt hat sie beim Diakonischen Werk eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin absolviert. Damit ist sie die erste Hospizbegleiterin der Diakonie in der südlichen Wesermarsch.
Ihr Bekanntenkreis habe ihr viel Unverständnis entgegengebracht, erzählt Silke Mertens. „Alle fragen mich, ob ich nichts Schöneres hätte machen können.“ Doch für die vierfache Mutter ist die Qualifikation wichtig. „Für alle Kursteilnehmer war die persönliche Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens eine Bereicherung.“
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Umgang mit Sterbenden verändert, sagt Silke Mertens. Früher seien Familienangehörige zu Hause gestorben. Hätten die letzten Tage und Stunden im Kreis ihrer Angehörigen verbracht. Auch sie habe diese Form der Sterbebegleitung in ihrer Nachbarschaft noch erlebt. „Heute gibt es das nicht mehr“, bedauert Silke Mertens. Viele Schwerkranke seien allein, egal ob zu Hause oder in einem Heim. „Wenn ein kleines Kind krank ist, sitzt die Mutter viel an seinem Bett“, sagt Mertens. „Aber wie viele alte Menschen liegen allein in ihrem Zimmer?“, fragt die Hospizbegleiterin. Sie möchte zumindest einigen Menschen das Gefühl geben, nicht alleine zu sein.
Bei unheilbar Erkrankten handele es sich aber nicht ausschließlich um alte, bettlägerige Menschen. Es gebe auch jüngere, die beispielsweise unheilbar an Krebs erkrankt seien. Auch sie gelte es zu unterstützen. „Man kann den Menschen nicht die Angst nehmen“, sagt Silke Mertens. „Aber man kann ihre Ängste teilen.“
„Ambulante Hospizdienste wollen dazu beitragen, dass sterbende Menschen in vertrauter Umgebung ein ,Leben bis zuletzt‘ führen können“, teilt Diakonie-Geschäftsführerin Karin Schelling-Carstens mit. Die Besuche von Silke Mertens und ihren knapp 50 ehrenamtlichen Kollegen des ambulanten Hospizdienstes des Diakonischen Werks Wesermarsch sind kostenlos. Die Hospizbegleiter helfen Angehörigen und leisten Beistand, oft über den Tod des Menschen hinaus. Aufgabe der Begleiter sei es, die Lebensqualität der unheilbar Erkrankten zu verbessern, betont Silke Mertens, aber nicht, deren Lebensquantität, also die Länge des letzten Lebensabschnitts, zu steigern. Die Mitglieder des ambulanten Hospizdienstes kümmern sich deshalb nicht um die Erkrankung, sondern um die Wünsche der Sterbenden, sagt die 54-Jährige. Die Hospizbegleiter unterstützen die Arbeit der pflegerischen und sozialen Dienste, der Selbsthilfegruppen, Hausärzte und Seelsorger.
Für die Wünsche des Erkrankten
„Für die Krankheit selbst sind Ärzte und Pflegepersonal zuständig“, bringt die Bardenfletherin ihren Einsatz auf den Punkt. Sie spreche mit den Menschen, lese ihnen vor, höre ihnen zu oder schweige mit ihnen. Ganz so, wie die sterbende Person es wünscht. „Viele Menschen öffnen sich im Angesicht des Todes. Sie wollen ihr Herz erleichtern, die Last aber nicht an ihren Partner weitergeben.“ Mertens betont: „Wir unterliegen der Verschwiegenheit. Selbst gegenüber den Lebenspartnern.“
Für die ambulanten Hospizbegleiter ist es dabei wichtig, sich von den Sorgen und Nöten der Sterbenden abgrenzen zu können. „Das sind Erlebnisse, die das Private nicht beeinflussen dürfen.“ Egal, was ihnen erzählt werde: Mit nach Hause nehmen dürften die ambulanten Hospizbegleiter die Probleme nicht. Um das zu lernen, enthielt der Ausbildungsplan auch ein Modul zum Thema Helferschutz. Das sei ganz wichtig, betont Mertens.
Die unheilbare Erkrankung des Lebenspartners könne eine Beziehung stark belasten. „Wenn einer erkrankt und das Paar nicht darüber redet, stellt das die Beziehung vor ganz große Probleme“, haben Silke Mertens und ihre Kollegen gelernt. „Wenn wir als Außenstehende in einen Haushalt kommen, kann das die Situation entzerren.“ Die Gespräche zwischen Erkranktem und Begleiter seien stets wertfrei. Die Hospizbegleiter nehmen sich mit ihren Meinungen zurück. „Wertvorstellungen und Lebensgeschichten werden nicht bewertet.“