Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Gundmar Köster bezeichnet sich selbst als ruhigen Typen, dabei hat der 55-Jährige einen vollen Terminkalender Bei Regen ist er gern am Teich

Eine Ihrer großen Leidenschaften galt seit jeher dem Radsport. Erinnern Sie sich noch daran, wie diese Passion anfing?Oh ja! Der Radsportverein hatte damals ganz kleine 20-Zoll-Kunsträder angeschafft. Im Rahmen des Schützenfestes gab es eine kleine Vorführung.
06.05.2017, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Alexander Bösch

Eine Ihrer großen Leidenschaften galt seit jeher dem Radsport. Erinnern Sie sich noch daran, wie diese Passion anfing?

Oh ja! Der Radsportverein hatte damals ganz kleine 20-Zoll-Kunsträder angeschafft. Im Rahmen des Schützenfestes gab es eine kleine Vorführung. Wer sich traute, auf einem der Räder zu fahren, bekam einen Schaumkuss. Das Radfahren an sich fand ich eigentlich blöd, ich wollte nur die Süßigkeit. Als die Radsportler dann einige Figuren vorführten, war ich ganz begeistert und habe meinen Vater bedrängt, dass ich unbedingt in den Verein eintreten will.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Wettkampf?

Das war am 21. September 1969, da war ich sieben Jahre alt. Der Wettkampf fand in Neuen­kirchen statt und ich wurde zweiter, die Urkunde habe ich heute noch!

Damit begann für Sie eine äußerst erfolgreiche aktive Zeit im Mannschaftsfahren...

Die Männermannschaften in Schwanewede waren damals bundesweit tatsächlich sehr erfolgreich. Ich bin damals im Einer, Zweier, Vierer und Sechser gefahren, also in vier Disziplinen gleichzeitig. Insgesamt wurde ich 35 Mal Niedersachsenmeister, zweimal nordwestdeutscher Meister und einmal Deutscher Vizemeister. Mit 15 Jahren habe ich dann als Trainer angefangen, zuerst meinen Bruder Volkmar trainiert.

Auch als Trainer konnten Sie auf zwei Titel als Europameister und auf fünf Deutsche Meistertitel verweisen. Mussten Sie eine gewisse Strenge an den Tag legen, um derart erfolgreich zu sein?

Anfangs war ich sehr ehrgeizig. Das muss man auch, wenn man Leute trainiert, die im Nationalkader fahren. Im Lauf der Jahre hat sich das ein bisschen gewandelt, auch dem Alter geschuldet (er lacht). Ich ­trainiere heute noch die Frauen im Einer- und Zweier- Kunstradfahren. Durchaus leistungsbezogen, aber ohne den Anspruch, Weltspitze zu sein.

Könnten Sie heute noch Figuren wie den Steiger fahren?

Das ist wie Schwimmen, das verlernt man nicht. Früher bin ich bis zu fünfmal mal die Woche in die Sporthalle der Heideschule gegangen, jetzt vielleicht noch zweimal pro Woche.

Haben Sie als Jugendlicher schon den Wunsch verspürt, unbedingt Polizist werden zu wollen?

Gar nicht! Damals wollte ich eigentlich Lehrer werden, eine Zeit lang auch mal Schiffsbauingenieur. Ich hatte dann aber keine Lust, nach meinem Abitur auf dem Gymnasium in Osterholz 1981 gleich wieder zu studieren. Auf der HAFA (heute HanseLife, Anmerkung der Redaktion) war ich dann an einem Infostand der Bereitschaftspolizei und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Mit der Vorstellung, dort möglichst wenig mit Theorie zu tun zu haben, war es dann aber nicht soweit her...

Das stimmt (er lacht). Die Ausbildung fand drei Jahre lang in Huckelriede statt, da gab es schon in den Grundlehrgängen sehr viel Theorie. Von der Wehrpflicht war man ja automatisch befreit. Ich habe mich dann innerhalb der Bereitschaftspolizei schnell spezialisiert und bei geschlossenen Einsätzen im Bereich Dokumentation gearbeitet.

Das bedeutete was?

Es ging darum, bei geschlossenen Einsätzen Straftäter zu identifizieren, zum Beispiel in der Hafenstraße in Hamburg oder bei Demonstrationen. Die Kameras waren damals noch analog. 1992 bin ich dann zur Hochschule der öffentlichen Verwaltung gegangen, um vom mittleren in den gehobenen Dienst befördert zu werden. Nach meinem Verwaltungsdiplom kam ich 1995 nach Findorff und bin ab 2001 zum Polizeipräsidium gewechselt.

Erinnern Sie sich noch an besonders belastende Einsätze?

Die Einsätze an der Hafenstraße in den 80er Jahren, zu denen wir angefordert wurden, waren unschön. Da flogen Flaschen und die Atmosphäre war angespannt, – auch wenn ich nicht an vorderster Front dabei war. Ansonsten war von Einbrüchen und häuslicher Gewalt bis hin zu Raub und Schlägereien alles dabei. Ich erinnere mich an einen Verkehrsunfall mit einem 8-jährigen Jungen in Findorff, den ich als besonders belastend empfand.

Hatten Sie ein Rezept zur Verarbeitung?

Man ist ja nicht allein, sondern in einer Dienstgruppe, da kann man sich schon austauschen. Die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung gibt es natürlich auch, das habe ich aber nie in Anspruch genommen. Ich glaube, es hängt viel damit zusammen, wieweit man Berufliches von Privatem zu trennen vermag.

Sie haben sich dann mehr und mehr der Pressearbeit zugewandt.

Ja, im Polizeipräsidium wurde ich im Bereich Öffentlichkeit und Marketing übernommen. Da ging es um Imagefragen. Etwa darum, wie sich die Polizei nach außen hin darstellt. Wir haben der Öffentlichkeit auch die Polizeireform von 2004/05 erklärt. Als sich 2012 dann die Gelegenheit bot, in Vegesack in den Bereich der Prävention und Öffentlichkeitsarbeit zu wechseln, hab ich dankbar zugegriffen, allein wegen der kürzeren Anfahrtswege.

In Schwanewede kennt man Sie auch aus verschiedenen künstlerischen Bereichen. Seit drei Jahren treten Sie im Bistro Journal als „Shark“ sogar als Rezitator auf.

Das kam eigentlich aus einer Bierlaune heraus. Ich hatte der Betreiberin Gaby Laabs, die ich lange kenne, gesagt, dass man im Journal als Alternative zu den Konzerten auch mal eine Lesung veranstalten sollte. Prompt wurde ich verpflichtet, das gefälligst selber zu machen. Mit Sprache hatte ich ja immer viel zu tun. Bei der ersten Lesung haben mir die Leute dann wider Erwarten gebannt zugehört, so beschloss ich, das zu wiederholen.

Sie rezitieren Ringelnatz, Morgenstern, Heinz Erhardt und eigene Gedichte. Hatten Sie in der Schule ein Faible für Poesie?

Auf dem Gymnasium hatten wir einen Mathelehrer, der vor dem Unterricht immer auswendig ein Gedicht von Ringelnatz oder Morgenstern vortrug. Das hatte uns immer sehr gefallen – auch, weil die Stunde dadurch kürzer wurde. Für Heinz Erhardt ­hatte ich immer schon ein Faible. Ich schreibe die von mir ausgewählten Gedichte immer noch mal handschriftlich ab, um ein besseres Gefühl für den Vortrag zu bekommen.

Wovon handeln Ihre selbst verfassten Gedichte?

Da darf es dann auch gern humorig zugehen, reimen sollte es sich immer. Ein ständig erweitertes Gedicht über das Journal endet nach jeder Strophe mit „Das ist mir egal, ich geh heut ins Journal!“ Das Gedicht „Hashtag“ setzt sich ironisch mit den neuen Medien auseinander, ohne die manche ja gar nicht mehr leben können.

Wie kam es zu dem Pseudonym „Shark“, also Hai?

Das war schon früh in Polizeikreisen mein Spitzname. Wenn ich aus dem Urlaub zurückkam, waren die anderen immer braun gebrannt und ich als nordischer Typ eher kalkweiß. Vom gemeinsamen Schwimmen her kam dann der Name „Weißer Hai“ und dann englisch „Shark“. Beim Radsport kennen den Namen aber eher weniger Leute – na ja, jetzt wahrscheinlich ein paar mehr.

Ihre selbst gebastelten Vogelhäuschen sind nicht nur auf dem Schwaneweder Weihnachtsmarkt ein Renner. Schlummert handwerkliches Talent in Ihnen?

Eigentlich nur in Maßen, das war wieder so eine Zufallsgeschichte. Zum Geburtstag eines guten Schulfreunds vor fünf Jahren hatte ich in einer Gartenzeitung einen Bericht über diese Vogelhäuser entdeckt. Ich habe mir gedacht, das kann ich auch, Holz geholt und es mit einer Stichsäge zurecht gesägt. Die Besucher auf dem Geburtstag waren begeistert und wollten auch eins haben. Mittlerweile bekomme ich schon richtige Aufträge. Ein Kollege wollte für seine Tochter gerade ein Vogelhaus im Prinzessin-Lillifee-Stil.

Welche Materialien verwenden Sie?

Meistens sind das Bretter aus Kiefernleimholz aus dem Baumarkt. Ich achte darauf, dass die Häuser verschraubt und nicht geleimt sind, um Ausdünstungen zu vermeiden, und verwende umweltfreundliche Farben. Mittlerweile habe ich kaum noch Verschnitt. Filigranes Basteln liegt mir.

Gab es von den Kollegen nie eine spöttische Bemerkung über Ihr Hobby?

Nein, eigentlich nicht. Ab und zu fällt natürlich mal ein ironischer Kommentar, aber da steht man eigentlich drüber und das ist auch nie böse gemeint.

Eine Ihrer jüngsten Vogelhauskreationen ist mit Flyern von „Rock den Deich“ in Serviettentechnik verziert. Was mich zu Ihrer Tätigkeit als Mitorganisator von „Rock den Deich“ führt.

Die Idee, mal eine Open Air Veranstaltung mit einigen lokalen Bands zu organisieren, entstand vor zehn Jahren im Rahmen von „Deichradio“.

Sie waren bei dem mittlerweile eingestellten Webradio Moderator und haben die Sendungspläne mitgestaltet.

Ja, ich habe ja auch eher eine Radiofigur (er lacht). Das Thema Radio hat mich immer interessiert. Beim Deichradio hatten wir viel Spaß. Ich erinnere mich an eine Sendung, in der die Hörer uns ihre besten Cocktailtipps schickten. Die haben wir dann live in der Sendung zubereitet und verkostet, die Stimmung wurde immer ausgelassener.

„Rock den Deich“ hat sich inzwischen zu einer festen Größe in der Musikszene gemausert.

Das liegt auch daran, dass wir sehr gut mit der Gemeinde zusammenarbeiten und von Anfang an auf ein gutes Sicherheitskonzept gesetzt haben. Am Anfang hatten wir nur vier Bands und noch auf dem asphaltierten Platz gegenüber der Baracke Wilhelmine gefeiert. Inzwischen bekommen wir Bewerbungen von überall her. In diesem Jahr waren es allein 255 Bands, unter anderem aus Norwegen, Österreich, Argentinien und Australien.

Zusammen mit Lars Riegelmann und Björn Bloch entscheiden Sie als das „Rock den Deich“-Team, wer es auf die Bühne schafft.

Björn Bloch als unser „IT-Mensch“ hat ein Programm entworfen, bei dem wir alle unsere Punkte für die in Frage kommenden Bands vergeben. Jeder von uns dreien hört jede Band. Einige der Gruppen wie Stahlmann oder Omas Zwerge, die wir schon öfter begrüßen durften, höre ich sogar privat gern.

Rock den Deich ist ein gemeinnütziger Verein.

Deswegen haben wir uns auch dem lokalen Musikkolorit verschrieben. Nach wie vor haben wir in jedem Jahr mindestens drei lokale Bands im Line-Up – wobei das auch die Gegend rund um Bremen bis Stuhr einbezieht. Dazu kommt mit „One Kiss“ eine Art lokaler Kult. So wie die Feuerwehrkapelle in Wacken immer als erstes spielt, sind ­Corinna May und Claus mit C bei uns immer als letzte dran.

All das klingt nach einem randgefüllten Terminkalender – oder bleibt da noch Zeit für andere Hobbys?

Ab und an mal eine Kreuzfahrt, Bootstouren in Holland, Auftritte von Comedians. Meinen Teich hinter dem Haus mag ich gerne, vor allem die Molche haben es mir angetan! Da sitze ich gern mal hinter dem Haus und gucke einfach mal eine halbe Stunde zu. Ich mag ebenso gern das Meer und stelle mich auch mal auf den Deich, wenn schlechtes Wetter ist.

Haben Sie so etwas wie eine Lebensphilosophie?

Ich glaube, ich bin eher der ruhige Typ. Nicht hektisch werden und nichts überstürzen, sondern erst einmal in Ruhe durchatmen: Das ist auch in beruflicher Hinsicht empfehlenswert.

Das Interview führte Alexander Bösch.

Zur Person

Gundmar Köster hat als Sprecher der Polizeiinspektion Bremen- Nord eigentlich alle Hände voll zu tun. Die reine Polizei- und Büroarbeit aber lastet ihn keineswegs aus. Der Schwaneweder hat sich nicht nur als Radsportlegende und Organisator des Festivals „Rock den Deich“, sondern auch als Rezitator und sogar als Erbauer von Vogelhäusern einen Namen gemacht. Als Multitalent mischt der 55-Jährige in der Szene kräftig mit.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)