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Notunterkunft in Habenhausen Bettwanzen: Flüchtlingsheim wird geräumt

Die ehemalige Zentrale Aufnahmestelle (ZASt) für Flüchtlinge in der Steinsetzerstraße muss geräumt werden. Grund ist ein massiver Befall von Bettwanzen in dem Gebäude in Habenhausen.
12.06.2015, 00:00 Uhr
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Bettwanzen: Flüchtlingsheim wird geräumt
Von Sabine Doll

Für Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) kommt es im Moment knüppeldick: Wie der WESER-KURIER erfahren hat, muss die ehemalige Zentrale Aufnahmestelle (ZASt) für Flüchtlinge in der Steinsetzerstraße geräumt werden. Grund ist ein massiver Befall von Bettwanzen in dem Gebäude in Habenhausen.

Derzeit sind dort rund 200 unbegleitete minderjährige und 30 erwachsene Flüchtlinge untergebracht. Sie sollen möglichst schnell ausziehen, sobald Unterkünfte gefunden sind. „Für rund 70 Jugendliche ist ganz konkret eine nicht genutzte Halle in Stadtnähe im Gespräch“, sagt Behördensprecher Bernd Schneider. Die anderen Flüchtlinge könnten in einem leer stehenden Baumarkt untergebracht werden. Das entscheide sich aber erst am Montag. Als vorübergehende Notfallunterkunft seien auch Zelte nicht mehr ausgeschlossen, die Vorbereitungen dafür seien in Gang.

„Ziel ist, dass das Gebäude in Habenhausen im Laufe der kommenden Woche komplett geräumt ist“, sagt Schneider. Etwa eine Woche werde es im Anschluss dauern, bis Flure, Mehrbettzimmer und andere Räume in dem Flüchtlingswohnheim gereinigt und desinfiziert seien. Danach soll grundlegend saniert werden. Das werde vier bis sechs Wochen dauern.

Problem mit Bettwanzen besteht schon seit Längerem

Das Problem mit den Bettwanzen besteht offenbar schon seit Längerem. Bei einer Begehung in der vergangenen Woche hätten Mitarbeiter des Gesundheitsamts festgestellt, dass sich die Lage nun massiv zugespitzt habe, sagt Jens Schmidt, Sprecher der Gesundheitsbehörde. „Das Jugendamt wurde umgehend über die Zustände informiert und eine kurzfristige Räumung dringend empfohlen.“ Durch Bettwanzen drohten zwar keine gesundheitlichen Gefahren, „aber hygienisch ist das nicht mehr vertretbar. Da war ein Maß überschritten“, so Schmidt. Einige Bewohner hätten Hautkrankheiten wie Krätze.

Für Sofia Leonidakis von der Linken ist der Schädlingsbefall Folge der „unzumutbaren hygienischen Zustände“ in dem Gebäude an der Steinsetzerstraße. Am Mittwochabend hatte sie sich ein Bild von der Situation vor Ort gemacht. Ihr Fazit: „Ich bin wahnsinnig schockiert, die Einrichtung muss sofort und dauerhaft geschlossen werden“, fordert sie.

Rund 50 Jugendliche seien in einem Keller untergebracht, sie lebten in Räumen, in denen teilweise Matratzen aneinandergereiht auf dem Boden lägen. Tische, Stühle und Schränke seien marode, sofern überhaupt welche vorhanden seien. Die Deckenverkleidung in den Räumen falle herunter oder fehle ganz, in den Duschen gebe es häufig kein warmes Wasser. Für die 50 Jugendlichen in dem Keller stünden nur zwei Toiletten zur Verfügung. „Es ist fahrlässig, die Kinder und Jugendlichen in solchen menschenunwürdigen Zuständen leben zu lassen. Das ist eine Gefährdung des Kindeswohls, die von der Sozialbehörde offenbar toleriert wird“, sagt Leonidakis.

Kaum Schulunterricht für die Kinder

Die Linken-Politikerin kritisiert zudem, dass 60 bis 70 Kinder keinen Schulplatz hätten, andere bekämen nur drei Mal in der Woche Unterricht. Auch bei der medizinischen Betreuung gebe es Defizite, nur einmal die Woche werde eine Sprechstunde mit Ärzten angeboten. „Drei Stunden für rund 200 Menschen, das ist ein Skandal.“

Die Räumung der ZASt stellt die Sozialbehörde vor enorme Probleme. Die Not, ausreichend Unterkünfte für neu ankommende Flüchtlinge zu finden, ist ohnehin schon groß. So groß, dass auch Zeltlager inzwischen nicht mehr ausgeschlossen sind. Konkrete Vorbereitungen laufen bereits. Wie der WESER-KURIER erfahren hat, gibt es bereits eine Liste mit mehreren Standorten, die aktuell geprüft werden. „Die Flüchtlingszahlen haben sich im Vergleich zum Vorjahr bereits jetzt verdreifacht“, sagt Behördensprecher Schneider. „Wir müssen alle Optionen erwägen, dazu gehören auch Zelte, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt.“

In den Groß-Zelten würden zwischen 70 bis 100 Menschen Platz finden, Stellwände sollten für so viel Privatsphäre sorgen, die unter diesen Umständen möglich sei. Anlass für die Zelt-Pläne ist neben dem weiter steigenden Flüchtlingsstrom, dass unter anderem die Messehalle als Notunterkunft ab Mitte Juli nicht mehr zur Verfügung stehe. Dort leben zurzeit 150 Menschen. Schneider: „Wir hoffen jedoch, dass wir die Unterbringung in Zelten vermeiden können. Wir sind zurzeit mit Eigentümern nicht genutzter Hallen im Gespräch, es geht um drei Standorte, das sieht sehr gut aus.“

Zeltlager als Notunterkünfte sind für Marc Millies vom Bremer Flüchtlingsrat ein „Tabubruch“. „Die Senatorin hat immer betont, dies zu vermeiden. Es ist beschämend, dass für die Flüchtlinge keine anderen Lösungen gefunden werden“, kritisiert er. Die Behörde müsse für mehr Wohnraum sorgen, indem zum Beispiel auch an private Wohnungsbaugesellschaften appelliert werde.

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