Für Sturmjäger und alle anderen Fans von Blitz und Donner war Bremen zuletzt kein gutes Pflaster. Egal, wie groß die Unwetterfronten in den verschiedenen Vorhersagen angekündigt waren – die Gewitter entluden sich meistens jenseits der Stadtgrenzen oder in den Randbezirken. In der Innenstadt kam nur Regen an – und hin und wieder ein Wetterleuchten.
Zieht man die jüngste Ausgabe des jährlich herausgegebenen Siemens-Blitzatlas mit den gesammelten Zahlen aller 402 Stadt- und Landkreise zurate, könnte man tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass Gewitter einen Bogen um die Hansestadt machen: Mit einer Blitz-Dichte von 0,26 Einschlägen pro Quadratkilometer lag Bremen 2021 im Vergleich der Landeshauptstädte auf dem letzten Platz – und auch in der Gesamttabelle auf dem drittletzten Platz vor Brandenburg an der Havel (0,20) und Solingen (0,18). In München zum Beispiel, flächenmäßig mit 311 Quadratkilometern nur unwesentlich kleiner als Bremen (326 km²), schlugen pro Quadratkilometer 4,43 Blitze ein.
Das Kochtopf-Prinzip
Bei der tieferen Interpretation dieser Zahlen ist aber Vorsicht geboten. Statistiken wie der Blitzatlas bieten zwar Smalltalk-Stoff, basieren aber auf "relativ zufälligen Zahlen", wie Andreas Friedrich sagt, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. "Dementsprechend sind sie wenig aussagekräftig. Es kann sein, dass die Zahlen für Bremen im nächsten Jahr im Bundesvergleich hoch ausfallen." Und zwar, weil es einfach Zufall ist, wo genau sich ein Gewitter ereignet. "Das geschieht chaotisch", sagt der Meteorologe. "Man kann sich das im Prinzip wie einen Kochtopf mit kochendem Wasser vorstellen. An welcher Stelle im Topf die Luftblasen hochblubbern, lässt sich nicht vorhersagen."
Kein Zufall ist es dagegen, dass Gewitterfronten im Sommer meistens für nachmittags oder abends vorhergesagt sind. "Damit sich Gewitter bilden, muss zuerst die Erdoberfläche aufgeheizt sein und viel Feuchtigkeit verdunsten, die dann nach oben steigt", sagt Stefan Botter. Der Vegesacker ist IT-Systemadministrator, Blitze sind sein Hobby. Zu Hause kann er über eine spezielle Antennenanlage elektromagnetische Entladungen in der Atmosphäre empfangen. Die Daten landen in einem globalen Netzwerk, auf dessen Homepage Gewitter und Blitze fast in Echtzeit abgebildet werden. "Gewitter sind sehr kleinskalige Ereignisse, Gewitterfronten haben meistens Durchmesser von zehn bis 15 Kilometern", sagt er. Entsprechend schwierig seien exakte Vorhersagen.
Grundsätzlich, das sagen sowohl Friedrich als auch Botter, ist statistisch gesehen die Gewitterneigung im Gebirge auch aufgrund der Windverhältnisse höher als im Flachland. "Aber wirklich groß sind die Unterschiede nicht, wenn man sich die Daten über lange Zeiträume ansieht", sagt Botter. Für diesen Donnerstag sind die nächsten Unwetter im Raum Bremen angekündigt. Wo es dann knallt und blitzt, bleibt eine Lotterie.