Die Täter hatten es nicht schwer: Den Radweg an der Kleinen Wümme hinunter, wenige Meter durchs Gestrüpp, einen niedrigen Zaun durchgeschnitten, und schon standen sie vor dem Gebäude, das sie in der Silvesternacht zerstören wollten. Brandsätze durchschlugen eines der Fenster im Erdgeschoss und entfachten ein Feuer, das nur deshalb kein noch größeres Ausmaß annahm, weil es schnell entdeckt wurde. Ziel des Anschlags: das Raumfahrtunternehmen OHB. Am Montag hat Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) den Tatort besucht, um, wie sie sagte, ihrer Fassungslosigkeit Ausdruck zu verleihen und sich an die Seite von OHB zu stellen. Vogt war an diesem Tag nicht die Einzige, die den Anschlag scharf verurteilte.
„Wir betrachten die Entwicklung in Bremen nicht erst seit dem Anschlag auf den Raumfahrtkonzern OHB mit großer Sorge", erklärte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Ein Bekennerschreiben gebe es zwar noch nicht, "aber natürlich liegt der Verdacht nahe, dass die Täter wieder in der linksextremistischen Szene zu suchen sind", so der Senator. OHB war bereits zweimal mit Brandsätzen angegriffen worden, zuletzt im November vergangenen Jahres. Damals bekannten sich auf einer Plattform im Internet Linksradikale zu der Tat.
Um die Anschlagsserie aufzuklären, habe der Staatsschutz bereits vor längerer Zeit eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, teilte Mäurer mit. "Bundesweit können wir feststellen, dass diese Tätergruppen hochkonspirativ vorgehen. Aber irgendwann werden auch sie Fehler machen, sodass wir sie zur Rechenschaft ziehen können", hofft der Innensenator. Mäurer will sich am Donnerstag mit OHB-Chef Marco Fuchs treffen: "Die Besorgnis in dem Unternehmen ist groß. Das nehmen wir sehr ernst.“
OHB beziffert den Sachschaden, der an dem Bürogebäude entstanden ist, nach ersten Schätzungen mit einem sechsstelligen Betrag. Direkt von dem Feuer betroffen seien sieben Büros und ein Besprechungsraum. Während des Anschlags habe sich ein Wachmann in dem Haus aufgehalten. Es hätte also Schlimmeres passieren können. "Das belastet schon, es gibt in der Belegschaft starken Gesprächsbedarf", berichtet OHB-Vorstand Dirk Schulze, "wir fragen uns auch, wie es sein kann, dass gerade unser Unternehmen in den Fokus geraten ist."
Keine direkte Beziehung zu Frontex
OHB beliefert die Bundeswehr mit Aufklärungssatelliten und erreicht damit nach eigenen Angaben beim Gesamtumsatz einen Anteil im einstelligen Prozentbereich. Die Technik könne im Grundsatz auch für die Überwachung von Flüchtlingsströmen und Schleuseraktivitäten verwendet werden, erklärt das Unternehmen. Allerdings gebe es keine direkte Geschäftsbeziehung zur umstrittenen europäischen Grenzwache Frontex. Ein Fakt, auf den auch die Wirtschaftssenatorin hinweist: "Es darf nicht sein, dass Frontex Flüchtlinge dem Tod überlässt, dafür kann man aber doch nicht OHB verantwortlich machen." Die Bremer Raumfahrtexperten leisteten für die Erdbeobachtung ungemein wertvolle Arbeit, der unter anderem tiefe Kenntnisse zum Klimawandel zu verdanken seien.
Neben den Angriffen auf OHB hat es in den vergangenen drei Jahren auch Brandanschläge auf Fahrzeuge von Polizei und Bundeswehr und auf Immobilienunternehmen gegeben. Innensenator Mäurer spricht davon, dass Bremen "an den Grenzen zur terroristischen Entwicklung" sei. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion zielt vor dem Hintergrund der jüngsten Tat in eine ähnliche Richtung: "Wir haben es mit verfestigten Strukturen in der linksextremistischen Szene Bremens zu tun", heißt es in einer Presseerklärung. Der Organisationsgrad nehme zu. Der Staat müsse darauf mit aller Härte reagieren. "Dazu zählt eine schnelle, lückenlose Aufklärung durch die Innenbehörde, die wir auch parlamentarisch einfordern werden", so die CDU.
Die Grünen-Fraktion geht nach eigenen Worten davon aus, dass die Ermittlungsbehörden nun mit Hochdruck ermitteln. "Wer durch sein Handeln feige und selbstgefällig den Tod von Menschen in Kauf nimmt, stellt sich außerhalb unserer Demokratie", erklärt Fraktionsvorsitzender Björn Fecker.