Nahezu jedes siebte Kind in Bremen war bei der jüngsten Einschulung zu dick: Laut Gesundheitsbehörde liegt der Anteil bei 13,1 Prozent. Grundlage für die Daten ist die Schuleingangsuntersuchung 2023/24. In der Stadt Bremen nehmen jedes Jahr mehrere Tausend Kinder daran teil. Das Alter der Jungen und Mädchen liegt zwischen fünf bis sieben Jahren.
Vor der Pandemie bewegte sich der Anteil übergewichtiger Kinder konstant zwischen elf und zwölf Prozent. Mit Beginn der Pandemie stieg er: Der bisherige Höchstwert wurde in der Schuleingangsuntersuchung 2021/22 mit 16 Prozent erreicht. Im Folgejahr sank er wieder auf 13,9 Prozent. Der aktuelle Wert ist noch höher als vor der Pandemie.
Wie wird gemessen?
Medizinisch wird das Körpergewicht von Kindern wie bei Erwachsenen nach dem Body Mass Index (BMI) beurteilt. Er berechnet sich aus dem Verhältnis des Gewichts in Kilogramm und der Körpergröße in Metern zum Quadrat. Für Kinder und Jugendliche gelten zudem alters- und geschlechtsbezogene besondere Vergleichswerte.
Übergewicht wurde 2022/23 bei Mädchen und Jungen nahezu gleich oft festgestellt. Kinder mit Migrationshintergrund waren deutlich häufiger übergewichtig oder stark übergewichtig (adipös) als Kinder ohne Migrationshintergrund (17,7 Prozent zu 10,5 Prozent). Kinder aus Ortsteilen mit niedrigem Sozialindex waren im Vergleich zu Kindern aus Ortsteilen mit hohem Sozialindex dreimal häufiger zu schwer (19,1 Prozent zu 6,1 Prozent). Fast die Hälfte aller übergewichtigen Kinder aus Ortsteilen mit niedrigem Sozialindex war adipös. Demgegenüber lag das Übergewicht bei Kindern aus Ortsteilen mit hohem Sozialindex in den meisten Fällen unterhalb der Schwelle zur Adipositas.
Welche Ursachen und Folgen gibt es?
"Die Tendenz zu Übergewicht beginnt bereits in der frühen Kindheit und setzt sich dann leider oft bis ins Erwachsenenalter fort", sagt Marco Heuerding, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Bremen. "Aus übergewichtigen Kindergartenkindern werden dann oft auch übergewichtige Jugendliche und Erwachsene."
Die Ursachen sind unterschiedlich: genetische Veranlagung, Bewegungsmangel, häufig in Kombination mit zu hoher Kalorienzufuhr, aber auch Erkrankungen oder Medikamente. Übergewicht kann schon früh zu Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und anderen gesundheitlichen Schäden führen. Hinzu kommen psychische Belastungen infolge sozialer Ausgrenzung.
Was ist die beste Vorbeugung?
Kinderarzt Heuerding hält eine "sehr frühzeitige Elternschulung" für notwendig, insbesondere in den sozial benachteiligten Quartieren. Häufig fehle hier das Wissen, deshalb werde den Kindern "im Übermaß Milch, Milchprodukte, Eier und Fleisch sowie hochprozessierte Fertignahrungsmittel" angeboten. Gesunde Kindernahrung sollte aber stattdessen viel Gemüse und Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte enthalten. "Diese Nahrungsmittel sind günstig", betont Heuerding. Es liege also nicht an Armut, sondern an Unkenntnis der Eltern, diese Nahrungsmittel zu verarbeiten, wenn deren Kinder zu dick würden.
Neben den sattsam bekannten Dickmachern wie Fast Food, Chips und Süßigkeiten warnt der Kinderarzt vor allem beim Trinken vor Fehlern: "Milch ist kein Getränk, sondern ein hochkalorisches Nahrungsmittel." Für Säuglinge sei Muttermilch gesund, später sei "Wasser das Getränk der Wahl".
Werden Therapien angeboten?
Das Diako-Krankenhaus in Gröpelingen bietet ein einjähriges Programm für Kinder mit Übergewicht an. Unter Anleitung der Gesundheitswissenschaftlerin Angelika Junge gibt es etwa eine Ernährungsberatung inklusive Kochen, Backen und Einkaufstraining, aber auch ein wöchentliches Sportangebot und psychosoziale Begleitung. Zumeist werde ein Teil der Kosten von den Krankenkassen übernommen, so das Diako. Details erfragen und anmelden könne man sich telefonisch unter 0421/61 02 21 01.
Kinderarzt Heuerding begrüßt solche Angebote, ist aber auch skeptisch: "Wenn ein Kind erst einmal übergewichtig oder sogar fettleibig ist, sind alle Therapieangebote und Behandlungsoptionen zäh und leider viel zu oft auch nicht erfolgreich." Besser sei es, schon ab dem Säuglingsalter die Eltern zu schulen.