Überschüssige Lebensmittel nicht verschwenden, sondern an Bedürftige verteilen – diesen ehrenwerten Ansatz setzen freiwillige und ehrenamtliche Mitarbeiter der Bremer Tafel tatkräftig an fünf Tagen in der Woche um. Doch der Zustrom von rund 1000 Kunden in den vergangenen neun Monaten, darunter auch ein hohes Aufkommen an Geflüchteten aus der Ukraine, so die Bremer Tafelbetreiber, hat die Stützen des 1995 gegründeten Vereins ins Wanken gebracht.
Mehr als die derzeit 2950 Kunden, hinter denen sich Ein- und Mehrpersonenhaushalte mit 6250 Menschen verbergen, die ihren Alltag mit Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld bestreiten müssen, könnten sie derzeit nicht bedienen, erklärt Uwe Schneider, Vorsitzender der Bremer Tafel. Aus Rücksichtnahme auf die Helferinnen und Helfer würde derzeit niemand mehr aufgenommen. Das sei eine Momentaufnahme, betont der Vereinsvorsitzende. Wegen einer "gewissen Fluktuation unter den Kunden" – Umzug, Umverteilung, Versterben – könne aber auch schnell wieder ein Platz frei werden.
In Deutschland werden derzeit mehr als eine Million Menschen nach einer Umfrage auch an Tafeln mit Lebensmitteln versorgt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezifferte die Zahl am Mittwoch auf knapp 1,1 Millionen und bezog sich auf eine Umfrage aus dem Jahr 2020. Derzeit gehen die Tafeln selbst aber von deutlich höheren Zahlen aus. „Die Lage ist bei allen Tafeln extrem angespannt“, sagte eine Sprecherin des Dachverbands Tafel Deutschland. Hintergrund sind der Krieg in der Ukraine und steigende Preise. „Es kommen auch mehr Menschen, die einen Job haben.“
Die bundesweit rund 960 Tafeln verteilen an Bedürftige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können. Der Dachverband spricht inzwischen von deutlich mehr als zwei Millionen Kundinnen und Kunden, mehr als je zuvor. „Natürlich wirkt sich auch die derzeit hohe Inflation auf die Tafelbesucher aus“, erklärte DIW-Forscher Markus Grabka zur aktuellen Lage. Hohe Energie-Vorauszahlungen führten auch Menschen mit nicht ganz geringem Einkommen in die Einrichtungen. Hinzu kämen viele Flüchtlinge aus der Ukraine.
Zur weiteren Entlastung plädierte Uwe Lampe als Landesverbandschef der Tafeln in Niedersachsen und Bremen bereits vor einigen Wochen für eine anteilige Auszahlung der Flüchtlingssozialleistungen in Form von Einkaufsgutscheinen: „Um den Ukrainern deutlich zu machen, dass die Tafeln nicht die Grundversorger sind. Hier scheint es immer wieder Missverständnisse zu geben.“ Helfen könnten zudem auch gespendete Lebensmittelgutscheine von Supermärkten, so Lampe. Diese könnten Tafeln ausgeben, falls die eigenen Vorräte erschöpft sind.
Beide Vorstöße sind für Bremens Tafel-Chef Schneider jedoch keine Option. Zumal es kein Problem mit Lebensmittelspenden gebe. "Da sind wir dank unserer Spender in Bremen immer noch relativ gut ausgestattet", versichert er. Es gebe zwar an einigen Tagen mal Engpässe, vornehmlich bei Obst- und Gemüse, weil die Händler aufgrund der hohen Einkaufspreise und Lieferengpässe knapper disponierten. Trotzdem sieht er die Grundversorgung durch 160 Lebensmittelhändler, Großmärkte und Bäckereien sowie Firmen, die ihre Überschussproduktion spenden, insgesamt gut abgedeckt. Luft nach oben gebe es aber immer.
Da die Nachfrage von Bedürftigen im Alter von 65 Jahren oder älter, die bereits 30 Prozent der Tafel-Kundschaft ausmachen, tendenziell weiter steigt, wurden drei Seniorentafeln eröffnet. In Obervieland, Huchting und der Vahr gibt es für ältere Menschen mit geringem Einkommen oder die nicht mehr so mobil sind eigene Laden-Öffnungszeiten. "In Burg bieten wir außerdem für ältere Kunden in den angrenzenden Stadtteilen, die aus Altersgründen den Weg in die Ausgabestelle nicht mehr schaffen, einen Bringdienst an", informiert Uwe Schneider.