Nachdem es in anderen Bundesländern ähnliche Entwicklungen gibt, zieht auch Bremen nach und beschleunigt die Öffnung der Kitas. Ab dem 15. Juni wird die Tagesbetreuung wieder für alle Kinder angeboten. Das hat am Donnerstag die Bildungsbehörde mitgeteilt. Ursprünglich war für Mitte Juni noch kein Regelbetrieb geplant, es gab aber Druck von den Eltern. Spätestens nach der Entscheidung des Senats, private Veranstaltungen mit bis zu 20 Personen zu erlauben, wuchs das Unverständnis, warum die meisten Kita-Kinder weiterhin zu Hause bleiben müssen.
In einem Papier des Bildungsressorts, das dem WESER-KURIER vorliegt, wird Bezug auf die bundesweite Debatte über die Öffnung der Kitas und Grundschulen genommen. Sie hatte am Dienstag noch einmal Fahrt aufgenommen, nachdem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Teilergebnisse einer wissenschaftlichen Studie vorgestellt hatte. Daraus geht hervor, dass Kinder von Corona kaum bedroht sind und als Überträger des Virus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Kretschmann wollte eigentlich die fertige Studie abwarten, sieht sich aber unter starkem Druck: „Die Situation ist eine wahnsinnige Belastung der Eltern“, sagte er vor der Presse.
So weit wie Baden-Württemberg, das als Konsequenz aus den Erkenntnissen von Wissenschaftlern der Universitätskinderklinik Heidelberg seine Kitas und Grundschulen bis Ende Juni vollständig öffnen wird und dabei auf die Abstandsgebote verzichtet, will Bremen noch nicht gehen. Es gibt im Senat nach der aktuellen Entscheidung über die Kitas aber gleichzeitig Bewegung bei den Grundschulen: „Sollte das Infektionsgeschehen es ermöglichen, dass die Abstandsregelung von 1,5 Metern in Grundschulen nicht mehr eingehalten werden muss, werden wir zu einem eingeschränkten Regelbetrieb übergehen“, heißt es in dem Behördenpapier. Bisher sieht der Fahrplan vor, ab dem 15. Juni jeweils die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in wechselnden Schichten in der Schule zu haben.
Unterricht in den Grundschulen und Betreuung in den Kitas werden auch im besten Fall noch nicht so schnell zur Normalität zurückkehren. Auch dieser Hinweis ist in dem Papier enthalten. Der Grund ist das Personal. Es steht wegen der Seuche noch einige Zeit nicht in vollem Umfang zur Verfügung. Menschen, die wegen ihrer Vorerkrankungen oder ihres Alters in Corona-Zeiten mit einem besonderen Risiko leben, bleiben weiterhin zu Hause.
Der Schritt kommt zu früh
Andreas Dotzauer, Leiter des Laboratoriums für Virusforschung an der Uni Bremen, findet die Entscheidung der Bildungsbehörde falsch: „Ich sehe aufgrund der weiterhin ungewissen Situation keinen Grund dafür.“ Der Schritt komme zu früh, zumal die Krankheitsbilder sehr komplex seien und die Ursachen noch nicht geklärt werden konnten. Dotzauer: „Das ist keine gute Idee.“
Niedersachsen hatte bereits am Mittwoch angekündigt, die Kitas zurück auf den Weg in den Alltag vor Corona zu schicken. „Ich strebe an, dass wir Mitte Juni die Eltern bei der Betreuung weiter entlasten und allen Kindern ein Angebot zum Besuch einer Kita machen können“, sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Es sei an der Zeit, die nächsten Schritte zu planen und den Übergang zum Regelbetrieb einzuleiten, allerdings mit zeitlichen Einschränkungen. Er werde dafür kurzfristig Gespräche mit den Trägern der Kitas und kommunalen Spitzenverbänden anberaumen, erklärte der Minister. Ursprünglich sollte der Regelbetrieb in Niedersachsen zum 1. August anlaufen.
In Bremen hatten Eltern Anfang dieser Woche in einem offenen Brief an Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) ein detailliertes Konzept zur Wiedereröffnung der Kitas gefordert. Es fehle nach zweieinhalb Monaten Zwangsschließung immer noch eine Perspektive. Sie könnten nicht nachvollziehen, dass Zusammenkünfte mit 20 Personen in geschlossenen Räumen wieder erlaubt seien, die Kinder aber weiter unter den Restriktionen leiden müssten.
Die CDU hat sich diese Kritik am Donnerstag zu eigen gemacht und in einem Schreiben an den Bürgermeister Vorschläge unterbreitet, wie die weitere Öffnung der Kitas organisiert werden könnte: „Über eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten von 7 bis 19 Uhr mit einem damit einhergehenden Schichtbetrieb und Zwischenreinigung muss ebenso nachgedacht werden wie über eine Erweiterung der Tagesbetreuungszeiten an Samstagen“, fordern der Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp und die kinderpolitische Sprecherin Sandra Ahrens. Das helfe Eltern im Schichtbetrieb und systemrelevanten Berufen und entzerre die Inanspruchnahme von Betreuungsplätzen in der Woche, so die beiden Abgeordneten der Opposition.