Diese Woche gab es im WESER-KURIER eine Geschichte über zwei syrische Frauen, die in Bremen seit Wochen vergeblich eine Wohnung suchen und nun Angst vor der Obdachlosigkeit haben. Mich hat nicht nur das Schicksal dieser beiden Frauen, Mutter und Tochter, berührt. Empört hat mich vor allem die Information in dieser Geschichte, dass es in unserer Stadt nur noch etwa 8300 sozial geförderte Wohnungen, also Wohnungen mit Berechtigungsschein, gibt.
In den 80er-Jahren sollen es noch rund 90 000 gewesen sein. Welch ein dramatischer Verlust an bezahlbarem Wohnraum! Der Hintergrund ist, dass ab 1990 die damals schwarz-gelbe Bundesregierung die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft hat. Das geschah einerseits vor dem Hintergrund des Neue-Heimat-Skandals, der gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften schwer in Misskredit gebracht hat.
Andererseits haben sich die Marktideologen diesen Skandal zunutze gemacht, um besser an der Wohnungswirtschaft verdienen zu können. Man hat damals viele kommunale Wohnungsunternehmen abgewickelt. Im Zuge der darauffolgenden Privatisierungswelle des Wohnungsmarktes ging immer mehr sozialgebundener Wohnraum verloren, auch in Bremen.
Das ging eine Zeit lang gut, hat sich aber inzwischen als Fehlentwicklung herausgestellt. Die niedrigen Zinsen sowie das nationale und internationale Finanzkapital, das immer neue Anlagemöglichkeiten sucht, haben neben anderen Faktoren die Nachfrage dramatisch erhöht und damit Wohnraum zunehmend auch in Bremen teurer gemacht. Große Wohnungsunternehmen, für die Gemeinnützigkeit offenbar ein Fremdwort ist, dominieren zunehmend den Wohnungsmarkt. Die interessieren sich weniger für die Mieter als für die Rendite.
Gewoba steht für soziale Verantwortung
Das gilt aus meiner Sicht ausdrücklich nicht für die Gewoba, sondern diese Gesellschaft steht für soziale Verantwortung in unserer Stadt. Zwar hat der Senat inzwischen erkannt, dass mehr Wohnungsneubau notwendig ist und mehr bezahlbarer Wohnraum gebraucht wird. So hat er beispielsweise beschlossen, dass neue Wohnungen, die auf städtischem Grund entstehen, zu 25 Prozent Sozialwohnungen sein müssen. Aber das wird bei weitem nicht reichen. Und vor allem: Wo sollen diese Wohnungen entstehen?
Gerade ist eine große Hoffnung spektakulär geplatzt. Auf der Rennbahn in der Vahr hätten viele neue Wohnungen, eben auch zu sozial verträglichen Mietpreisen, entstehen können. Dies hat die Volksabstimmung auf demokratischem Weg verhindert. Hier hat der Senat einen schwerwiegenden Kommunikationsfehler gemacht. Das Beispiel zeigt aber auch, dass das Thema Wohnungsnot bei den Verantwortlichen in dieser Stadt noch nicht wirklich die Priorität gefunden hat, die es unbedingt braucht. Tatsächlich ist es eine der zentralen politischen Fragen, die die Menschen mehr und mehr umtreibt.
Ich hoffe sehr, dass in den jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen das Thema bezahlbarer Wohnraum einen zentralen Stellenwert einnehmen wird. Mit Sicherheit wird in den Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken der Streit um die Osterholzer Feldmark wieder aufflammen. Denn auf diesem Areal wäre es wirklich möglich, eine Alternative zu dem vergeigten Rennplatz-Vorhaben zu erschließen. Die Grünen sind bisher massiv dagegen, weil sie Naturzerstörung befürchten. Auf die Bewahrung der Natur zu achten ist nicht nur ehrenwert, sondern auch notwendig. Die Alternative der Grünen ist die sogenannte Lückenbebauung.
Die Idee ist gut, aber wie steht es mit der Umsetzung? Man muss die Lücken ausfindig machen, man muss die Besitzer zum Bauen motivieren, gegebenenfalls die Bebauungspläne anpassen und vieles andere mehr. Ich habe Zweifel, ob diese grundsätzlich positive Zielsetzung geeignet ist, in absehbarer Zeit genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren. Ich will mich hier weder auf die eine, noch auf die andere Seite schlagen. Aber Wohnungsbau darf in diesen Verhandlungen nicht zum Spielball werden, nach dem Motto: Gibst du mir das, geb ich dir das. Es muss ein gemeinsames Ziel aller künftigen Regierungsparteien sein, den Menschen dieser Stadt zügig Wohnungen zu beschaffen, die sie auch bezahlen können.
Willi Lemke (72) schreibt jeden Sonnabend im WESER-KURIER über seine Heimatstadt und was ihn in dieser Woche in Bremen bewegt hat.