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Plan für Ausbildungsfonds Jeder vierte Jugendliche ohne Lehrstelle

In Bremen steigt seit Jahren die Zahl der jungen Menschen, die über keine Berufsausbildung verfügen. Mit einem Landesausbildungsfonds will der Senat nun gegensteuern.
21.05.2022, 17:30 Uhr
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Jeder vierte Jugendliche ohne Lehrstelle
Von Jürgen Theiner

Um mehr minderqualifizierten Jugendlichen einen Berufseinstieg zu ermöglichen, sollte Bremen einen Landesausbildungsfonds einrichten, an den die meisten Unternehmen eine Abgabe zahlen. Aus dem Fonds würde dann eine Reihe von Maßnahmen finanziert, die sowohl die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger als auch die Lehrstellenangebote der Unternehmen verbessern. Das empfiehlt eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht. Die Wirtschaftsbehörde wird nun zunächst den Dialog mit den Handels-, Handwerks- und Arbeitnehmerkammern suchen. Im Grundsatz ist aber beabsichtigt, das Projekt auf den Weg zu bringen und noch vor der Bürgerschaftswahl im Mai 2023 ein entsprechendes Gesetz zu beschließen.

Der Ausbildungsfonds ist ein Projekt, das SPD, Grüne und Linke 2019 in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hatten. Hintergrund war der schon zu diesem Zeitpunkt erkennbare Anstieg der Zahl von Jugendlichen, die nach der Schule keine Berufsausbildung antreten. Dieser Trend hat sich zwischenzeitlich fortgesetzt. Unter den unversorgten Jugendlichen sind auch viele minderjährige Flüchtlinge.

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Nun ist es nicht so, dass Bremen in der Vergangenheit keine Anstrengungen unternommen hätte, die Quote junger Menschen ohne Berufsausbildung zu senken. So wurde beispielsweise 2015 die  Jugendberufsagentur ins Leben gerufen. Ihre ausdrückliche Aufgabe ist es, allen jungen Leuten unter 25 Jahren, die ohne Berufsabschluss sind, zu einem solchen zu verhelfen. Beratung, Begleitung, Orientierung, individuelle Förderung – all das findet dort bereits statt. Im gleichen Jahr wurde das Landesprogramm "Ausbildungsgarantie" aufgelegt. Auch hier geht es um Unterstützung für Jugendliche und junge Erwachsene, die noch nichts Passendes gefunden haben oder ohne Unterstützung in ihrer Ausbildung nicht klarkommen. Doch all diese Anstrengungen haben nicht zu einer Verbesserung der Lage geführt, im Gegenteil. Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der Menschen im Alter bis 34 Jahren, die über keine Berufsbildung verfügen, so hoch wie in Bremen. Er liegt bei fast 24 Prozent.

Nun soll also mit dem Landesausbildungsfonds ein weiterer Versuch unternommen werden, die Dinge zum Besseren zu wenden. Zur Vorbereitung des Projekts berief die Wirtschaftsbehörde eine Expertenkommission aus namhaften Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsexperten. Vor wenigen Tagen hat das Gremium unter dem Vorsitz des Duisburger Professors Gerhard Bosch seinen Abschlussbericht fertiggestellt. Das Papier liegt dem WESER-KURIER vor. Darin sprechen sich die Fachleute für einen Fonds aus, an den bis auf Kleinstbetriebe mit bis zu neun Mitarbeitern alle Bremer Unternehmen eine Abgabe leisten. Sie würde 2023 mit 0,05 bis 0,07 Prozent der Bruttolohnsumme zu Buche schlagen, 2024 wäre es etwas mehr. Für einen kleinen Betrieb von zehn Mitarbeitern rechnet die Wirtschaftsbehörde auf dieser Grundlage mit durchschnittlich 300 Euro pro Jahr. Die Gesamteinnahmen würden im ersten Jahr zwischen sieben und zwölf Millionen Euro liegen.

Aus dem Fonds könnte ein breites Spektrum von Maßnahmen finanziert werden. Stichworte lauten: Verbesserung der digitalen Berufsorientierung; Beratung von Betrieben bei der Gestaltung ihres Angebots; Förderung von  Basiskompetenzen bei Azubis etwa in Mathematik; kontinuierliche Begleitung von Jugendlichen bei Gefahr des Abbruchs einer Ausbildung; Förderung von Verbundangeboten ausbildungsbereiter Betriebe. Auch außerbetriebliche Ausbildungsmöglichkeiten sollen gefördert werden, allerdings nicht vorrangig.

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Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) knüpft an den Ausbildungsfonds hohe Erwartungen. Es gehe ihr bei der Idee einer jährlichen Abgabe ausdrücklich nicht um eine Bestrafung von Betrieben, die bisher keine Lehrstellen anbieten, sondern um den Aufbau eines solidarischen Systems, sagte Vogt dem WESER-KURIER. Ihr sei bewusst, dass es in Bremen und Bremerhaven eine Menge Jugendliche gibt, die in der Schule nicht genug gelernt haben, um problemlos eine Lehre zu durchlaufen. "Aber wir müssen das Dilemma auflösen, dass wir einerseits diese Jugendlichen haben und andererseits der Fachkräftemangel zunimmt." Der Ausbildungsfonds mit seinen Instrumenten könne dazu einen Beitrag leisten.

Vogt hofft nun, die Arbeitgebervertreter vom Nutzen ihres Projekts überzeugen zu können. Das wird nicht einfach. Denn insbesondere von der Handelskammer ist bekannt, dass sie den Plänen sehr skeptisch gegenübersteht. Auch bei der Handwerkskammer gibt es eine gewisse Reserve, wenn auch nicht so ausgeprägt wie im Schütting. Bleibt ein Konsens aus, wird die rot-grün-rote Koalition den Fonds wohl trotzdem auf den Weg bringen, denn auch die SPD hat sich am vergangenen Wochenende für das Instrument ausgesprochen.

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