Der Täter, ein junger Mann, stellt sich seinem Opfer in den Weg, schiebt sein Bein zwischen die Beine des Opfers und stiehlt ihm sein Portemonnaie aus der Hosentasche. So geschehen vor ein paar Tagen in der Rembertistraße in der Bahnhofsvorstadt und ein Fall von vielen in dieser Gegend. Straßenraub und Taschendiebstahl sind an der Tagesordnung. Die Polizei berichtet auf Anfrage von einem weiteren Anstieg solcher Delikte im bisherigen Jahresverlauf.
Das Opfer, ein Mann um die 80, ist im ersten Moment überrumpelt, so etwas hat er noch nicht erlebt. Er ist aber auch geistesgegenwärtig und entschlossen genug, sofort um Hilfe zu rufen: „Polizei!“ Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden Passanten aufmerksam. Der Täter bekommt es mit der Angst zu tun. Er lässt die Geldbörse fallen, rennt weg, um mit einem zweiten Mann, der in der Nähe steht und offenbar sein Komplize ist, endgültig das Weite zu suchen.
Brennpunkt Bahnhof: Seitdem der Bereich zu einem Brennpunkt für Kriminalität geworden ist, gibt es solche Auswüchse auch in den Straßen drumherum. Oft ist das eine Wechselwirkung: Je stärker die Polizei am Hauptbahnhof kontrolliert und einschreitet, desto häufiger weichen die Täter in die Nachbarschaft aus. Der Drogenhandel findet in Hinterhöfen oder Grünanlagen statt. In der Rembertistraße sind deshalb in den vergangenen Monaten vor mehreren Einfahrten Eisentore angebracht worden. Bei Diebstahl und Gewaltdelikten geschehen die Taten auf offener Straße und bei Weitem nicht nur im Schutz der Dunkelheit.
Viele Delikte in der Bahnhofsvorstadt
In dem Fall in der Rembertistraße war es in klassischer Weise das sogenannte Antanzen. Die Polizeistatistik erfasst diesen Tathergang nicht gesondert, sondern ordnet ihn den Straftaten Taschendiebstahl, Raubüberfall und räuberische Erpressung zu. „Unterjährig geben wir keine konkreten Daten heraus, können aber sagen, dass die Zahl der Antanzdelikte in der Hansestadt im Vergleich zu den Pandemie-Jahren wieder deutlich angestiegen ist“, heißt es in der Mitteilung der Strafverfolgungsbehörde. Die Kurve zeige in 2023 auch bei Überfällen und räuberischer Erpressung nach oben.
Viele dieser Delikte seien in der Bahnhofsvorstadt registriert worden. Während der Pandemie habe es sich dort bei räuberischem Diebstahl um weniger als 30 Fälle pro Jahr gehandelt. Im Jahr 2022 sei die Zahl auf knapp 50 Fälle gestiegen. Eine ähnliche Entwicklung verzeichnet die Polizei beim Straßenraub: 50 Fälle im Jahr 2019, knapp doppelt so viele im Jahr 2022. Taschendiebstähle gab es im vergangenen Jahr in der Bahnhofsvorstadt knapp 400.
Die Polizei begegnet dem Straßenraub nach eigenen Angaben seit Längerem mit verdeckten und offenen Mitteln. Es gebe gezielte Ermittlungen, Prävention, Öffentlichkeitsarbeit und immer wieder Schwerpunktaktionen. Allerdings: „Angesichts der schnellen Tatbegehung und des sehr kurzfristigen Kontaktes zwischen Opfer und Täter gestalten sich die Ermittlungen oftmals schwierig.“
Dem Eindruck, dass kriminelle Banden unterwegs sind, widerspricht die Polizei: „Für eine strukturierte und organisierte Tatbegehung liegen aktuell keine Hinweise vor.“ Es sei jedoch wahrscheinlich, dass die Täter zumindest über eine gewisse Fachkenntnis verfügen, welchen Geldwert bestimmte Uhren, Kette oder Handys haben, die sie als Beute ausspähen.
Im vergangenen Jahr, so die Polizei, habe es eine Serie von Diebstählen gegeben, bei denen den Opfern hochwertige Armbanduhren vom Handgelenk gerissen wurden. Einige dieser Straftaten habe man jungen Zuwanderern zuordnen können. Mit dem Ergebnis, dass fünf von ihnen in Untersuchungshaft genommen worden seien. Danach habe sich die Lage in diesem Deliktfeld spürbar beruhigt.