Wenn inhabergeführte Geschäfte im Bremer Norden verschwinden, sorgt das für viel Aufmerksamkeit. Einige dieser Läden haben aktuell geschlossen, andere folgen in den kommenden Tagen oder Wochen. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Corona-Krise gibt es aber nicht immer. Anfang des Monats hat Fleischermeister Herbert Dohrmann seine Filiale in der Reeder-Bischoff-Straße geschlossen und betont: „Die Entscheidung ist coronaunabhängig gefallen. Den Pachtvertrag haben wir bereits vor dem Ausbruch des Virus gekündigt.“
Dass er den Standort in der Vegesacker Fußgängerzone geschlossen hat, habe ausschließlich wirtschaftliche Gründe. „So ganz viele Geschäfte gibt es in der Reeder-Bischoff-Straße nicht mehr. Belebt ist die Straße heute nur noch, wenn das Vegefest oder andere Veranstaltungen stattfinden“, sagt er. Früher sei der Zulauf hingegen immer groß gewesen.
„Ich habe am Standort Vegesack gehangen, aber es wurde dort zunehmend schwieriger. Aus Vernunft hätte ich die Filiale eigentlich schon vor zwei, drei Jahren schließen müssen“, sagt er. Dass die Niederlassung nun dicht ist, tue ihm sehr leid. Doch eine Idee, wie sich die Situation in der Vegesacker Innenstadt verbessern lasse, habe er nicht gehabt.
Hinzu käme, dass er rund 20 000 Euro für ein neues Kassensystem hätte ausgeben müssen, um die gesetzlichen Vorgaben zur Bonpflicht erfüllen zu können. „Außerdem hätten wir auch in den Laden investieren müssen“, so Dohrmann. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt habe auch der Fachkräftemangel dazu beigetragen, dass er die Filiale in Vegesack geschlossen hat. „Gute Mitarbeiter zu bekommen, ist sehr schwer. Deshalb setzen wir die Angestellten, die bisher in Vegesack gearbeitet haben, nun in anderen Filialen ein“, sagt der Fleischermeister. Statt der Nordbremer Filiale etwa die in der Berliner Freiheit in der Vahr zu schließen, sei indes keine Option für den Unternehmer gewesen. „In der Vahr machen wir dreimal so viel Umsatz wie in Vegesack“, berichtet Herbert Dohrmann.
Ähnlich unzufrieden mit dem Standort Vegesack ist Gudrun Eggers, Inhaberin der Boutique Asprion. „Wer durch die Fußgängerzone schlendert, der wundert sich über den zunehmenden Leerstand. Die Attraktivität der einstigen maritimen Einkaufsmeile hat sich in den letzten Jahren stark verändert“, kritisiert sie. Deshalb schließt sie Ende Oktober ihr Geschäft in der Gerhard-Rohlfs-Straße. Einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gebe es dabei nicht. „Meine Kunden halten mir auch während der Pandemie die Treue“, sagt die 65-Jährige.
Früher habe sie Kunden aus Schwachhausen, Horn und Bremerhaven gehabt, doch die bleiben seit Längerem weg. „Die Kunden echauffieren sich darüber, wie Vegesack sich zum Nachteil verändert hat. Nicht einmal einen Kaffee konnten sie hier trinken“, erzählt sie. „Mein Sortiment ist hochwertig. Dafür braucht es ein entsprechendes Umfeld, welches in den vergangenen Jahren Stück für Stück verloren gegangen ist“, sagt Eggers, die seit 35 Jahren in der Vegesacker Innenstadt arbeitet.
Mehrfach habe sie sich an verschiedene Stellen gewandt, um auf die Situation im Stadtteil aufmerksam zu machen. „Doch dabei bin ich nur auf taube Ohren gestoßen“, lautet ihre Bilanz. Deshalb beginnt sie nun mit dem Ausverkauf. Zwar sucht sie etwa über die Handelskammer nach einem Nachfolger, doch dass sie den findet, glaubt sie nicht. „Bisher gab es keine Resonanz. Hier geht keiner rein“, vermutet Gudrun Eggers.
Bei Ariane Schelling hat der Ausverkauf bereits begonnen. Ende des Monats schließt sie ihr Blumengeschäft Dohr Florales in der Hindenburgstraße. „Ohne die Corona-Krise würde der Laden weiter bestehen“, ist sie sich sicher. Für die Unternehmerin kam der Lockdown und die damit verbundene Schließung des Geschäfts zum denkbar ungünstigsten Moment. „Im März mussten wir wegen der behördlichen Anordnung schließen, mitten in unserer Hauptsaison“, sagt Schelling. Dadurch sei die Pflanzsaison für sie gänzlich weggefallen, wodurch das Geschäft viel Geld verloren habe.
Ladentür für immer schließen
„Wir leben von Hochzeiten und Messen, doch die fallen coronabedingt aus. Gleiches gilt für Geburtstage und andere Familienfeiern“, beklagt sie. Ein wichtiger Auftraggeber sei auch die Deutsche Kammerphilharmonie, die Blumen für den Sommer in Lesmona bei ihr bestellt habe. „Dieser Auftrag kam in den vergangenen Jahren immer während des Sommerlochs und blieb nun natürlich aus“, erzählt Ariane Schelling.
Dass es das Geschäft heute überhaupt noch gibt, liege am Blumenversand. „In den ersten Monaten der Pandemie konnten wir uns mit dem Versandgeschäft über Wasser halten“, sagt Schelling. Doch mittlerweile seien die Bestellungen wieder zurückgegangen. Deshalb wird sie ihre Ladentür wahrscheinlich am kommenden Sonnabend für immer schließen.
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