„Wo wollen wir hin?“ Die Frage aus einem Strategiepapier des Bürgermeisters umreißt wohl am besten, was es mit dem Projekt Zukunftskommission auf sich hat. Am Montag beginnt im Rathaus die Arbeit an einer Entwicklungsperspektive für Bremen und Bremerhaven, die bis ins Jahr 2035 reichen soll.
Zur Auftaktveranstaltung sind neben Vertretern der Landesregierung zahlreiche Akteure der Stadtgesellschaft sowie auswärtige Experten eingeladen, die ihre Ideen und Vorschläge in den nun beginnenden Diskussionsprozess einbringen sollen. Konkrete Ergebnisse werden für den Herbst 2018 erwartet.
Den Anstoß gab Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) im Juni. Gerade hatte der Bundestag die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen unter Dach und Fach gebracht. Sie beschert dem kleinsten Bundesland nach einem langen und schmerzhaften Sparkurs ab 2020 wieder größere finanzielle Spielräume.
Einigermaßen komplizierte Arbeitsstruktur
Nach Überzeugung des Bürgermeisters ist es deshalb jetzt an der Zeit, eine Vorstellung davon zu entwerfen, wie diese neuen Spielräume für eine gedeihliche Zukunft Bremens und Bremerhavens genutzt werden sollten. Sein Ansatz: In einem strukturierten Gedankenaustausch sollen die städtischen und auswärtigen Teilnehmer auf drei Themenfeldern Handlungsempfehlungen erarbeiten: Infrastruktur, Stadtentwicklung und Qualifizierung, wobei Letzteres in erster Linie Bildung meint.
Die von Sieling entworfene Arbeitsstruktur ist allerdings einigermaßen kompliziert und Außenstehenden nicht ganz leicht zu vermitteln. Die Zukunftskommission ist niemand anderes als der Senat selbst plus Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz. Der Kommission zugeordnet sind sogenannte Perspektivgruppen zu den drei genannten Themenfeldern.
Darin sitzen Vertreter senatorischer Behörden, Vertreter wichtiger zivilgesellschaftlicher Institutionen wie etwa Handels-, Handwerks- und Arbeitnehmerkammer sowie die auswärtigen Fachleute. Bei ihnen handelt es sich um namhafte Wissenschaftler, die ihre Kompetenzen in Sachen Infrastruktur, Stadtentwicklung und Qualifizierung einbringen werden.
Dialogpartner des Senats
In den Perspektivgruppen soll die eigentliche inhaltliche Arbeit geleistet werden. Auswärtige und Bremer Fachleute bilden zudem den sogenannten Zukunftsrat als Dialogpartner des Senats. Die Liste der Institutionen, deren Vertreter dem Zukunftsrat angehören, ist recht lang.
Neben den Kammern findet man dort beispielsweise den Landesjugendring, den Deutschen Gewerkschaftsbund, den Zentralelternbeirat und viele andere Gruppierungen, die Partikularinteressen vertreten. Ganz offensichtlich war dem Bürgermeister daran gelegen, so ziemlich jede Facette des öffentlichen Lebens abzubilden. Den Bund der Steuerzahler berücksichtigte Sieling nicht, was dessen örtlichen Vertreter Carl Kau offenbar ein wenig gekränkt hat.
„Trotz eines frühen Angebotes der konstruktiven Mitarbeit aus Mitte Juni“, so Kau, habe der Senat den Steuerzahlerbund „partout nicht dabei haben wollen“. Für Kau stellt es sich so dar, dass der Bürgermeister nur die „üblichen Verdächtigen“ einbezieht, „um einerseits eigenes Klientel zu bedienen und andererseits vermeintlich geschickt deren Kritikpotenzial durch Vereinnahmung einzufangen“.
Gemeinsame Klausur am Montag
Dem widerspricht der Leiter des Projektbüros Zukunftskommission, Christian Bruns. „Die Zivilgesellschaft ist breit eingebunden“, ist der frühere Leiter der Bremer EU-Vertretung überzeugt. Am Montag kommen Zukunftskommission und Zukunftsrat zu einer gemeinsamen Klausur zusammen. Der ersten von dreien, die über die gesamte Projektdauer geplant sind.
Carsten Sieling wird die Teilnehmer auf den Dialog der nächsten Monate einstimmen, die Senatoren für Wirtschaft, Bau/Verkehr und Bildung werden themenbezogene Ausblicke beisteuern. Die Öffentlichkeit bleibt während des gesamten Prozesses weitgehend Zaungast. Nur punktuell sind öffentliche Fachhearings der Perspektivgruppen vorgesehen. Schon die Auftaktveranstaltung wird bis auf einen kurzen Fototermin für die Presse hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Dass man mit solch weitgehender Abschottung manch interessierten Bürger enttäuscht, hat Christian Bruns bereits gemerkt. Im Gefolge der Medienberichterstattung über Sielings Projekt habe er diverse Anrufe von Bürgern erhalten, die gern Ideen beitragen würden, sagt Bruns im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Es werde nun darüber nachgedacht, in welcher Form man das Engagement interessierter Bürger in das Format Zukunftskommission einspeist.