Blitzschnell gleitet die Schere von Friseur Mike Piee durch das Haar. Normalerweise arbeitet er in seinem Geschäft Salonfähig im Bremer Viertel und für seine Kunden ist ein Besuch bei ihm alltäglich. Für Ursel Löwe ist ein neuer Haarschnitt etwas ganz Besonderes. Die Rentnerin ist an diesem Sonnabend beim Bremer Wohlfühlmorgen für Obdachlose und Bedürftige. „Ein ganz neues Lebensgefühl ist das“, sagt Löwe.
Das Zwischenmenschliche im Vordergrund
Der Wohlfühlmorgen wird bereits zum sechsten Mal gemeinsam von dem Malteser Hilfsdienst, der Caritas Bremen, der St.-Johannis-Schule und dem Atlantic Grand Hotel veranstaltet. Ursel Löwe ist zum zweiten Mal dabei: „Ich habe mich tüchtig darauf gefreut“. Sie lebe von Grundsicherung, erzählt sie. Das Geld reiche nicht für vermeintlichen Luxus wie einen Friseurbesuch oder auch eine Massage. Genau dies sei der zentrale Punkt beim Wohlfühlmorgen, sagt Andreas Schack vom Malteser Hilfsdienst. „Hier geht es nicht um das Brot auf dem Tisch, sondern um das, was zwischen den Menschen am Tisch passiert.“ Etwas zu essen und einen warmen Kaffee bekämen die Bedürftigen auch bei anderen Hilfsangeboten.

Petra Kirchhoff verwöhnte die Gäste mit einer Shiatsu Massage. Beliebt war am Sonnabend auch die medizinische Fußpflege.
Diesen Sonnabend soll das Zwischenmenschliche im Vordergrund stehen. Den Besuchern soll Wertschätzung und Respekt entgegen gebracht werden und sie sollen sich etwas verwöhnen lassen können. „Wir wollen, dass die Menschen, die herkommen, mit mehr Energie und Kraft rausgehen können“, sagt Schack. Rund 150 bis 200 Besucher sind an diesem Sonnabend gekommen und lassen sich die Haare schneiden, massieren, ärztlich untersuchen, machen Erinnerungsfotos, waschen ihre Wäsche, unterhalten sich und lauschen der Gitarrenlivemusik beim Frühstück. Besonders beliebt sind eine neue Frisur und die medizinische Fußpflege. Ursel Löwe hat sich ein Hühnerauge entfernen lassen. „Das ist ein tolles Gefühl – mein Schuh passt wieder richtig“, schwärmt sie. Alleine habe sie es nicht hingekriegt und eine professionelle Behandlung könne sie sich nicht leisten.
Rund 50 Ehrenamtliche Helfer
Bei Friseur Mike Piee ließ sich Löwe zunächst beraten – schließlich soll der neue Haarschnitt später gut aussehen. „Obwohl die Menschen bedürftig sind, wollen sie schön aussehen. Und ein neuer Schnitt freut sie total“, sagt Piee. Löwe trägt nun einen schicken Bob. „Ich hab richtig viel von der Länge weggenommen“, erklärt Piee. Im Gegensatz zum Salonalltag lassen seine Kunden beim Wohlfühlmorgen sehr viel Haar. Schließlich können sie nicht nach vier bis sechs Wochen wiederkommen und sich die Spitzen nachschneiden lassen.
Rund 50 Ehrenamtliche kümmern sich um die Besucher beim Wohlfühlmorgen. Rund die Hälfte der Helfer sind Schüler der St.-Johannis-Schule, in deren Räumen die Veranstaltung stattfindet. Sie decken die Tische, servieren Kaffee und erklären, wo was zu finden ist. Die Gäste seien unterschiedlich, meint Schack. Einige hätten zwar eine Wohnung und würden wie etwa Ursel Löwe von Grundsicherung leben. Oder sie bekommen ALG II. Andere wiederum seien wohnungslos. Wie bedürftig jemand ist, werde allerdings nicht geprüft.