„Kindererziehung ist kein Hobby.“ Das sagt Sonja Bastin, Familien- und Lebenslaufsoziologin an der Universität Bremen. Stattdessen sei Erziehung und Betreuung der eigenen Kinder ein Wirtschaftsfaktor. Das finde im politischen Diskurs jedoch zu wenig Beachtung und Wertschätzung, kritisiert sie. Mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) tauschte sie sich über das Thema aus und übergab ihm eine Stellungnahme, die sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Lutz erarbeitet hat.
„Ich bin sehr zufrieden darüber, dass wir gesprochen haben“, sagt die Wissenschaftlerin. Sie hatte bereits vor dem Gespräch eine Diskussion mit dem Bürgermeister – jedoch auf Twitter. Dort hatte sie den eingeschränkten Regelbetrieb der Kitas als unzureichend kritisiert. Daraufhin folgte die Einladung in das Rathaus.
„Eltern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen“, sagt Bastin, die gemeinsam mit Katharina Lutz den Bürgermeister besuchte. Es gebe zu wenig Unterstützung, das werde jetzt durch die Corona-Pandemie besonders deutlich. Mit einigen offenen Fragen sei sie deshalb in das Gespräch mit Andreas Bovenschulte gegangen. Etwa: Wie steht es um langfristige Unterstützungsmaßnahmen, damit Eltern keine Nachteile etwa bei der Rente haben. Zudem fehlten auch kurzfristige Hilfen für Eltern, die Arbeit und Betreuung des Kindes unter einen Hut bringen müssen.
„Die teilweise Öffnung der Kitas reicht nicht aus, die Lohnfortzahlungen funktionieren in ihrer jetzigen Form nicht“, sagt sie. Man könne Eltern helfen, indem man sie bei haushaltsnahen Dienstleistungen unterstützt. Es sei bereits eine Entlastung, wenn ein Elternteil im Homeoffice nach der Arbeit nicht noch saugen oder kochen müsste.
Mehr Wertschätzung für die Sorgearbeit
Darüber hinaus fordert sie mehr Wertschätzung für die sogenannte Sorgearbeit. „Wenn Eltern nicht genug Unterstützung bekommen, ist das unser aller Problem“, sagt Bastin. „Wer sich um Kinder kümmert, kümmert sich um unsere Zukunft.“ Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass Eltern ihre Kinder vernachlässigen oder ihnen gegenüber gewalttätig werden, wenn der Druck zu groß werde.
Wie Bürgermeister Bovenschulte das Gespräch wahrgenommen hat, war bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren. Sonja Bastin war mit dem Austausch jedenfalls größtenteils zufrieden. Zwar kritisierte sie, dass Bovenschulte mehrfach darauf hingewiesen werden musste, dass das „Argument, dass man aktuell nicht mehr machen könne, einfach nicht stimmt.“ Dennoch: „Der Bürgermeister hat uns ernst genommen. Ich glaube, er hat viel mitgenommen. Er hat auch signalisiert, dass man weiter in Kontakt bleiben kann.“ Sie erwarte jetzt, dass das Thema politisch an Bedeutung gewinnt und auch nach außen getragen wird. Damit der Bürgermeister das nicht vergisst, habe sie ihm auf Bitte ihrer Tochter einen kleinen Stein geschenkt. „Als Erinnerung.“