Als in Niedersachsen wegen der Pandemie die Baumärkte geschlossen wurden, sie in Bremen aber offenblieben, wechselten die Stuhrer, Lilienthaler, Delmenhorster und Achimer zum großen Nachbarn und deckten sich dort ein – ein Pilgerzug der Heimwerker, abzulesen an den Nummernschildern auf den Parkplätzen. Nie waren die Bremer Baumärkte voller, Corona hin oder her. Ein Geschiebe und Gedränge in den Gängen, bis auch die letzte Schraube oder Tapete ergattert war. Die Kunden kratzten sich zwar am Kopf, weil das schwer zu verstehen war, wie unterschiedlich behördliche Auflagen ausfallen können. Aber was soll's, werden sie gedacht haben – Hauptsache an der Hütte und im Garten kann weitergebastelt werden.
Ein Beispiel, und es gab viele in den vergangenen anderthalb Jahren. Bundesweite Aufmerksamkeit bekam der Golfclub "Bremer Schweiz" mit einer bizarren Regelung, die zunächst aber nicht zu ändern war. Bespielt werden durfte nur die bremische Hälfte der Anlage, keine 18 Löcher, sondern neun. In diesem Fall war es genau anderes herum: Jetzt verdarb Niedersachsen den Spaß. Kein Golf wegen Corona! Die Bremer sahen das anders. Und so kam es, dass der Platz an der Landesgrenze in zwei Teile zerfiel.
Das sind Absurditäten, die dem Umstand geschuldet sind, dass irgendwo eine Linie gezogen werden muss, wenn es kein einheitliches Vorgehen gegen die Pandemie gibt. Dann lässt sich schön erzählen, wenn jemand, weiteres Beispiel, in Brinkum die öffentliche Sauna benutzt, während das im wenige Kilometer entfernten Bremen noch verboten ist. Angesichts solcher Widersprüche konnte man auch ohne Hitze und Aufguss ins Schwitzen kommen.
Bremen und Niedersachsen sind während der Pandemie unterschiedliche Wege gegangen. Man kann das beklagen, aber so ist es nun mal bei zwei Bundesländern. Vergessen wird dabei freilich eine Idee, ein Projekt, das nicht nur wegen des Virus ins Hintertreffen geraten ist. Wer redet noch davon, was früher gemeinsame Landesplanung hieß und heute die Namen Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen und Metropolregion Nordwest trägt? Wo sind die Politiker, die über den Tellerrand ihrer eigenen Gemeinde hinweg schauen und die Region in den Blick nehmen?
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) war Vorsitzender des Kommunalverbundes, er hat dort einiges angestoßen, freute sich aber auch über die Bühne, die ihm das bot. Bovenschulte war damals Bürgermeister in Weyhe und strebte als ehemaliger Landesvorsitzender der Bremer SPD nach Höherem. Seit er das neue Amt bekleidet, ist sein Interesse an der Zusammenarbeit mit den Nachbarn deutlich erlahmt. Das geplante gemeinsame Gewerbegebiet in Achim-West zum Beispiel kommt nicht voran, was allerdings an beiden Seiten liegt.
Sicher, es gibt Initiativen. Eine Veranstaltungsreihe zur Entwicklung der Innenstädte, die Wohnungsmarktstrategie, das Mobilitätskonzept – lauter wohlgemeinte Ansätze, aber wenig Handfestes. Es ist schön, wenn ein Musikfestival veranstaltet wird und Vorschläge für Radtouren gemacht werden. Doch reicht das? Die neuralgischen Punkte einer echten Partnerschaft werden damit jedenfalls nicht getroffen. Das wäre eine gemeinsame Krankenhausplanung oder die Frage, ob der defizitäre Flughafen von der Region getragen werden sollte und nicht allein von Bremen. Da gibt es Schieflagen, wie überhaupt das niedersächsische Umland stärker vom Oberzentrum profitiert als umgekehrt.
Die "Dachmarke Bremen"
Ein Politiker hat das vor 20 Jahren mal messerscharf analysiert. Reinhard Hoffmann erfand als Chef der Senatskanzlei die "Dachmarke Bremen". Er wollte die Region stärker dorthin ausrichten, wo sie seiner Meinung nach ihren Anker hat und damit ein paar Ungerechtigkeiten beseitigen. Nicht von ungefähr wird vom Speckgürtel gesprochen, der sich um das magere Bremen legt. Doch keine Chance, die Nachbarn lehnten brüsk ab. Damit war das Ziel eines festeren Verbundes vom Tisch.
Würde es so eine Organisation geben, wäre die Landesgrenze zwar immer noch da. Es gäbe aber eine Grundlage für klare Verabredungen – zum Beispiel bei Corona-Auflagen.