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Stadt verliert eine kulinarische Institution Bremer Feinkostgeschäft und Bistro Grashoff schließt

Wer in Bremen etwas auf gutes Essen und Trinken hält, ist seit fast 150 Jahren bei Grashoff an der richtigen Adresse. Damit hat es nun ein Ende. Der Gourmet-Tempel schließt Ende Juli.
04.06.2021, 20:48 Uhr
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Bremer Feinkostgeschäft und Bistro Grashoff schließt
Von Jürgen Hinrichs

Schlag ins Kontor für alle Gourmets und ein Fanal für die Bremer Innenstadt: Grashoff macht zu, für immer. Das legendäre Bistro mit Delikatessengeschäft hat eine fast 150-jährige Tradition - am 30. Juli geht sie zu Ende. Mit dem  Catering ist es dann auch vorbei. Übrig bleiben die Marke Grashoff, der Großhandel mit Online-Shop, Weinveranstaltungen und die Produktion von Feinkost in der Manufaktur in Walle. Das teilt Grashoff-Inhaber Oliver D. Schmidt mit.

"Das Geschäft am Loriotplatz ist in der von uns gewohnten Form auf Dauer nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben", erklärt Schmidt. Als wesentlichen Grund nennt der Unternehmer die Veränderungen in der Innenstadt: Zunehmend würden Läden schließen, deren Kunden es auch zu Grashoff gezogen habe. Die Attraktivität habe insgesamt abgenommen. Hinzu komme, dass große Firmen oft in Konzernen aufgingen und das Führungspersonal nicht mehr in Bremen arbeite und lebe. "Damit verliert unsere Stadt am Ende die kaufkräftige soziale Schicht, die Unternehmen wie das unsere zum Überleben brauchen", so Schmidt.

Veränderte Einkaufsgewohnheiten

Der Gastronom berichtet noch von anderen Erfahrungen aus den vergangenen Jahren. Die Einkaufsgewohnheiten hätten sich verändert, speziell bei den jüngeren Kunden: "Viele fühlen sich beispielsweise nicht wohl, wenn geschultes Personal ihren gesamten Einkaufsvorgang eng begleitet und eine kontinuierliche Beratung anbietet." Auf der anderen Seite sei es zunehmend schwieriger geworden, den Kunden, die genau auf so etwas wert legten, einen entsprechenden Service zu bieten. Die Arbeit in Unternehmen wie Grashoff erfordere ein hohes Maß an Fachwissen, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit und vor allem ein Gespür für den Umgang mit Menschen. "Die Bereitschaft, sich auch persönlich und sozial weiterzuentwickeln, hat spürbar abgenommen, gleichzeitig sind die Ansprüche vieler Bewerberinnen und Bewerber gestiegen", sagt Schmidt.

Mit der Schließung von Bistro, Feinkostladen und Catering gehen 21 Arbeitsplätze verloren. Die Beschäftigten sind nach Darstellung von Schmidt allesamt bereits woanders untergekommen, eben deshalb, weil motiviertes Fachpersonal stark nachgefragt werde und der Bedarf nicht gedeckt sei. In der Waller Manufaktur, die uneingeschränkt in Betrieb bleibe, seien es 20 Angestellte.

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Schmidt betont, dass seine Entscheidung zu einer Zeit komme, in der er noch aus eigener Kraft agieren könne: "Wir sind nicht insolvent, haben keine akuten Schwierigkeiten." Allerdings habe die Corona-Pandemie natürlich auch Grashoff getroffen. Sie sei nicht ursächlich für die Entwicklung, habe sie aber gravierend beschleunigt und tiefe Spuren hinterlassen: "Monatelange Schließungen unseres Bistros, der eingeschränkte Zugang zum Delikatessengeschäft und der nach wie vor anhaltende Ausfall im Catering-Geschäft sind schwer zu verkraften."

Familie Schmidt ist seit dem Jahr 1900 Eigentümer von Grashoff. Oliver D. Schmidt, der sich zum Koch, Handelsbetriebswirt und Feinkostverkäufer ausbilden ließ, stieg 1996 als Teilhaber in das Geschäft ein, damals war sein Vater noch dabei. Als Grashoff 1872 gegründet wurde, lag das Geschäft am Schüsselkorb. 1961 zog es in die Sögestraße. Seit 1985 pilgern die Gourmets zum Hillmannplatz, der seit einigen Jahren Loriotplatz heißt. Vicco von Bülow alias Loriot war Stammgast bei Grashoff.

Die Anfänge von Grashoff

Brüne Grashoff wollte etwas Besonderes für seine Kunden und bekam es unter anderem mit frischen Pralinen aus Brüssel, Pasteten aus Frankreich und Frühgemüse aus Holland. Nicht einfach zu der Zeit, als es für den  Transport nur Zug und Pferdewagen gab und keine elektrische Kühlung. Gleich zu Beginn seines Geschäfts im Jahr 1872 gelang Grashoff ein Coup: In Bremerhaven wurde die österreichisch-ungarische Expedition zum Auffinden des Nordpols feierlich verabschiedet. Der Bremer lieferte für die Zeremonie Essen und Trinken - der Beginn von etwas, was heute Catering heißt. "Der große Erfolg dieser Veranstaltung führte zu überregionalem Ruhm für das noch junge Unternehmen", heißt es in der Grashoff-Chronik.

Weil Brüne Grashoff keine Erben hatte, verkaufte er sein Geschäft an Johann Georg Schmidt aus Achim. Nach dem Tod des Kaufmanns übernahm 1928 seine Frau Louise, von den Kunden und Gästen liebevoll "Lilli" genannt. Im Schaufenster hatte sie Fasane im Federkleid, russischen Kaviar „feinste Auslese“, frische Pasteten, feines Gemüse und vieles mehr. So üppig war es während des Krieges und den Jahren danach nicht mehr. Das begann erst wieder in den 1950er-Jahren. Später kam das Bistro hinzu, ein französisches, und damit einzigartig in Bremen und der Region. Es heimste für seine Küche viele Auszeichnungen ein.

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