Wer in Bremen einen Hausarzt sucht, muss geduldig sein. Viele Praxen nehmen derzeit keine neuen Patienten auf. „In diesem Jahr wird es für diejenigen ohne Hausarzt besonders schwierig, einen zu finden“, sagt Christoph Fox, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KVHB). Ohnehin seien die Praxen im Winter stärker ausgelastet als im Sommer. Dazu kämen zusätzliche Belastungen der Ärzte, die Zeit kosteten – Fox nennt Corona-Impfungen und gesonderte Sprechstunden für Patienten mit Atemwegsinfektionen als Beispiele. „Die nächsten Monate werden hart“, prophezeit der KVHB-Sprecher.
Belastung durch Drittimpfungen
Gabriel Rogalli, Hausarzt mit Praxis in der Östlichen Vorstadt, berichtet von „täglichen und verzweifelten Anrufen“. Die Nachfrage sei in diesem Jahr besonders groß und habe in den vergangenen Wochen zugenommen. „Es gibt viele Leute ohne Hausarzt“, sagt Rogalli. Alle Interessenten könne die Praxis nicht behandeln, weshalb man aktuell ausschließlich Patienten aus der Umgebung neu aufnehme.
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) bekomme ähnliche Probleme von Patienten geschildert, teilt ein Sprecher mit. Erhebungen gebe es dazu nicht. Auf Webseiten der Praxen ist vereinzelt zu lesen, dass keine neuen Patienten mehr aufgenommen werden.
Lange Wartezeiten und eine schwierige Erreichbarkeit von Praxen bemängelt Edeltraud Paul-Bauer. Sie berichtet aus eigener Erfahrung, aber auch als Vorständin der Patientenstelle im Gesundheitsladen Bremen. Dass einige Hausärzte ihre Kapazitäten einschränken müssen, sei in gewisser Weise selbst verschuldet, meint Paul-Bauer. Der Wunsch, sich an den Corona-Impfungen zu beteiligen, habe zu einer zusätzlichen Belastung geführt. Die Patientenvertreterin fordert angesichts der zahlreich bevorstehenden Drittimpfungen, die Last auf andere Schultern zu verteilen. „Wir können das nicht den Hausärzten überlassen“, sagt Edeltraud Paul-Bauer. Die dezentralen Impfzentren seien als Alternative nicht ausreichend. Ihr Vorschlag: Den Einsatz der Impfmobile ausweiten.
Unabhängig von diesen Engpässen sieht Paul-Bauer ein grundsätzliches Problem: In Bremen gebe es eine Fülle von Fachärzten, aber an Hausärzten mangele es in einigen Stadtteilen, sie seien im Stadtgebiet nicht ideal verteilt. Sie nennt Gröpelingen, Huchting und Tenever als Beispiele.
Insgesamt sind sowohl Bremen als auch die meisten angrenzenden niedersächsischen Gebiete vergleichsweise gut mit Ärzten ausgestattet. Der sogenannte Bedarfsplan weist für die Stadt Bremen bei Hausärzten eine Versorgungsquote von 106 Prozent aus. Heißt: Es gibt mehr Ärzte, als es der Gesetzgeber für die Einwohnerzahl Bremens vorsieht. In Lilienthal liegt der Wert bei 114, in Verden bei 107 und in Achim bei 101 Prozent. Laut KVHB sind in Bremen 363 Hausärzte tätig – einer pro 1563 Einwohner.
Christoph Fox von der KV Bremen spricht dennoch von einem „eklatanten Hausärztemangel“. Er betreffe vor allem die ländlichen Regionen, werde aber in abgeschwächter Form auch zunehmend in Bremen spürbar. „Die Lage ist momentan weit davon entfernt, dramatisch zu sein. Aber wenn sich nichts ändert, wird die Versorgungssituation in zehn Jahren deutlich schlechter sein“, sagt Fox. Als Indiz nennt er die stagnierende Versorgungsquote. Liegt sie unter 110 Prozent, können sich weitere Hausärzte in Bremen niederlassen. Das sei in jüngster Zeit kaum passiert, erklärt Fox. Perspektivisch bereite das auch deshalb Sorgen, da das Durchschnittsalter der Ärzte recht hoch sei.
„Viele hängen immer wieder ein weiteres Jahr dran, weil sie hoffen, einen Nachfolger zu finden“, sagt Paul-Bauer. Warum fehlt es an Nachwuchs? Fox nennt Gründe: Zum einen ist Bremen das einzige Bundesland ohne medizinische Fakultät. Andererseits werde auch nicht ausreichend für externe Zugänge geworben, bemängelt Fox. Die Verdienstmöglichkeiten für Hausärzte seien schlechter als für Spezialisten, ergänzt er.
Paul-Bauer: „Oft übernehmen neue Ärzte nicht die Praxis, sondern lediglich den Kassensitz des Vorgängers.“ Ihre Praxis würden sie, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, an finanziell attraktiveren Standorten aufbauen – beispielsweise an der Grenze zur Neustadt, statt mitten in Woltmershausen. So komme es in einigen Gebieten zu Ballungen, während anderorts Versorgungslücken entstünden.