Die ersten Jahre an der Grundschule sollten für alle Kinder eine schöne und vor allem auch unbeschwerte Zeit sein. Doch dies gilt offenbar nicht für alle Schüler und Schülerinnen, die die Grundschule an der Stader Straße besuchen oder besucht haben. Jedenfalls deuten die Berichte und Schilderungen einiger besorgter Eltern darauf hin, die sich beim WESER-KURIER meldeten. Es ist von Bestrafungen und Demütigungen vor anderen Kindern die Rede. Überhaupt herrsche an der Schule eine Atmosphäre der Angst, berichten Teile der Elternschaft.
So erzählt André Behrent, dessen Sohn die Grundschule an der Stader Straße besuchte und mittlerweile an einer anderen Schule unterrichtet wird, dass sein Junge ständig vor der Klasse vorgeführt worden sei. "Er hat uns fast täglich erzählt, dass die Lehrerin ihm vor den anderen Kindern gesagt habe, er sei dumm, er sei schuld oder er solle sich schämen", berichtet Behrent. Dem Sohn von Jennifer Raddies, der mittlerweile ebenfalls die Schule verlassen hat, sei es ähnlich ergangen, erzählt die Mutter. "Es gab zum Beispiel die Strafe Fegedienst. Dieser wurde so organisiert, dass alle anderen Kinder nicht in die Pause durften, bis mein Sohn die Klasse zu Ende gefegt hatte", berichtet Raddies. Man könne sich vorstellen, wie unangenehm das für ihr Kind gewesen sei und welche Auswirkungen das auf seine Situation in der Klasse gehabt habe. Auch öffentliches Strafsitzen vor dem Rektorinnenzimmer oder hinter einer Glastür im Flur sei, so stellen es die Eltern dar, an der Tagesordnung gewesen.
Unangemessenes Strafsystem?
Im Mittelpunkt der Kritik steht die Rektorin der Grundschule. Einige Eltern berichten von einem zu strengen und unangemessenen Strafsystem der Rektorin. Dies habe ihre Kinder stark verängstigt. "Mein Kind wollte schon zu Beginn der zweiten Klasse nicht mehr in die Schule", erzählt Jennifer Raddies. "Die Strafen gingen so weit, dass Kinder absichtlich nicht auf die Toilette gelassen wurden, bis sie sich vor den anderen eingenässt hatten", so Raddies. Eine Schilderung, die von weiteren Eltern bestätigt wird.
Auf Nachfrage bei der Rektorin der Grundschule zu den Vorwürfen wurde auf die Bildungsbehörde verwiesen. Die Behördensprecherin Patricia Brandt erklärte dem WESER-KURIER: "Uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem sich Eltern über Vorkommnisse an der Stader Straße beschwert haben."
Jennifer Raddies hingegen sagt: "Ich weiß, dass sich einige Eltern bei der Behörde gemeldet haben." Eine weitere Mutter, die namentlich nicht genannt werden möchte, erklärt: "Ich melde die Vorfälle, die meinen Sohn betreffen, in regelmäßigen Abständen seit eineinhalb Jahren der Schulaufsicht." Eine Reaktion oder Hilfe habe es nie gebeben. "Mir wurde von einer Mitarbeiterin immer wieder gesagt, dass nichts unternommen werden könne, da es keine Nachrücker für Rektoren gäbe."
Eltern sprechen von Mobbing
Doch nicht nur André Behrent und Jennifer Raddies berichten von Vorfällen an der Schule. Auch der Sohn einer weiteren Mutter, die namentlich nicht genannt werden möchte, sei ständig vor der Klasse vorgeführt und bestraft worden. "Oft haben die Lehrer oder die Rektorin mir erzählt, wie schlimm mein Sohn sich benehmen würde und an was mein Sohn alles schuld sei", berichtet die Mutter. Es sei sehr oft vorgekommen, dass ihr Sohn mitten im Unterricht von der Rektorin suspendiert worden sei. "Ohne dass ich davon informiert wurde", ergänzt sie. Die Suspendierung habe öfter Tage und in einem Fall sogar eine Woche lang gedauert.
André Behrent erinnern die Vorgänge an ein "regelrechtes Mobbing der Kinder im Klassenraum". "Unser Sohn erzählte uns zum Beispiel, dass die Lehrerin einmal im Morgenkreis zu einer Mitschülerin gesagt hätte, sie solle sich vor meinen Sohn setzen, weil sie sein Gesicht nicht mehr sehen könne." Im Laufe der Zeit wäre es immer schwerer geworden, ihr Kind zu einem Schulbesuch zu motivieren, erzählt Behrent.
Seine Frau sagt: "An einem Tag wollte mein Sohn partout nicht in der Schule bleiben. Die Rektorin redete mit mir, ich solle die Schule verlassen. Sie würde mit der Pädagogin zusammen Maßnahmen ergreifen." Was dann passiert sei, schockiere sie bis heute: "Sie hielten unseren Sohn zu zweit fest", berichtet sie. "Aber er bekam Panik und wehrte sich mit Leibeskräften". Als sie sich noch einmal umgedreht hätte, hätte ihr Sohn, festgehalten von der Rektorin und der Pädagogin, am Boden gelegen. "Es wirkte regelrecht gewalttätig", berichtet sie. Ihr Sohn habe danach monatelang nicht mal mehr den Schulhof betreten. "Bis wir ihn von der Schule nahmen."
Elternbeirat nimmt Vorwürfe ernst
Ein anderes Elternteil berichtet anonym über ähnliche Vorgänge. "Mein Sohn erzählte mir, er sei von der Rektorin festgehalten und gefragt worden, ob er mit mir – also seiner Mutter – schon über eine Psychotherapie gesprochen hätte", berichtet eine Mutter. Weitere Eltern berichten von ähnlichen Situationen. Auch Jennifer Raddies erklärt, dass sie ihr Kind auf Rat von Lehrern und der Rektorin bei einem Psychologen vorstellen sollte.
Der Bildungsbehörde sind diese Vorgänge nicht bekannt. "Wir können nur betonen, dass uns die Rektorin seit Jahren als engagierte Schulleiterin bekannt ist", sagt Sprecherin Patricia Brandt. Auch der Elternbeirat äußert sich dem WESER-KURIER gegenüber schriftlich. "Wir haben die Vorwürfe überrascht zur Kenntnis genommen. (...) Der Elternbeirat nimmt derlei Vorwürfe sehr ernst und ist jederzeit bereit, vermittelnd, klärend und schützend zu agieren. Daher werden wir uns erneut an die Elternschaft wenden und mögliche Vorwürfe prüfen."
Eltern ehemaliger Schüler und Schülerinnen berichten, ohne namentlich genannt werden zu wollen, dass sie ihr Kind aufgrund der Vorkommnisse von der Schule genommen hätten. "Seit unser Sohn auf eine andere Schule geht, ist er wie ausgewechselt", sagt André Behrent. "Er geht gerne in die Schule und hat keine Angst mehr." Das berichten auch die anderen Eltern.
Laut Jennifer Raddies würden sich Eltern oft nicht trauen, die Vorkommnisse vorzutragen, weil sie Angst hätten, dass es dann für ihr Kind noch schlimmer werde. "Versucht man dennoch, die Dinge anzusprechen, die das Kind zu Hause berichtet, sagt die Rektorin, das Kind würde lügen."
Die Bildungsbehörde betont, dass sie den Sachverhalt vorbehaltlos aufklären werde.