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20 Meter über dem Marktplatz So fühlt man sich auf dem Seil zwischen Rathaus und Markthalle

Drei Highlines sind in der City gespannt: Tagelang können Bummler die Sportler dort balancieren sehen. Doch wie ist es, wenn sich jemand zum ersten Mal auf eine Highline wagt? Elias Fischer hat es versucht.
29.06.2023, 17:30 Uhr
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So fühlt man sich auf dem Seil zwischen Rathaus und Markthalle
Von Elias Fischer

Als ich die Position an dem Seil, der sogenannten Highline, erreicht habe, an der ich Anfängerübungen machen soll, bin ich überwältigt und überfordert zugleich. Ein flaues Gefühl schwappt von meinen Füßen bis in den Kopf, bis ich realisiere: Ich hänge an einem Seil, bin gesichert 20 Meter über dem Marktplatz, und schwitze. Aber ich frage mich: Soll sich ein Mensch wirklich hier oben befinden? Und wie bin ich eigentlich hierhergekommen?

Als Jens Decke aus Kassel und Manik Esche mit Mitgliedern des Vereins Slacklining Bremen am Morgen um 10 Uhr vor den Domtreppen eintrudelten, hatten sie Rucksäcke und Taschen voller Kunststofffaserbänder, Karabiner und Hüftgurte dabei. Ihr Rüstzeug für die kommenden Tage: Die Slackliner wollen in der Bremer Innenstadt beim Hoeg-Festival drei Highlines in Höhen zwischen 20 und 80 Metern spannen, unter anderem zwischen Markthalle und Rathaus. Und fragten mich, ob ich Lust hätte, das gleich mal zu testen. Und ich? Sage zu, getrieben von Neugier und einer gewissen Blauäugigkeit. Es wird das erste Mal sein, dass ich mich auf eine Highline traue.

Gegen 20 Uhr stehe ich schließlich auf dem Dach der Markthalle. Um mich herum Jens, Manik und Freunde. Alle wirken gelöst. Die drei Highlines sind gespannt und getestet. Manik weist mich flugs ein, Hüftgurt hier, Sicherungsseil da. Hier die Umlenkrolle, mit der ich mich über die Highline ziehen könne. Es zurrt und klackt mehrfach an meinem Körper, ein weiteres Augenpaar überprüft den Achtknoten am Seil. „Passt. Gesichert“, lautet das Fazit. Das ist mal Materialvertrauen, denke ich.

„Du wirst dich gleich aufschwingen und hinsetzen. Dazu ein Bein aufs Seil, das andere nach oben strecken, über die Seite des gestreckten Beins drehen“, sagt Manik. Die Aufregung verschwindet, Ehrgeiz steigt in mir auf. Der trägt mich auch über die Dachkante. Voller Adrenalin ziehe ich mich die ersten Meter über das Seil, bis Manik mich stoppt. Der Zustand geistiger und körperlicher Verwirrung tritt ein: Hitze, Anspannung, Spaß und Muffensausen.

„Jetzt schwing dich mal auf“, sagt Manik. Ich gehe die Schritte im Kopf durch und probiere es. Beim dritten Versuch klappt es. Plötzlich liege ich auf der Slackline und schaue etwas geschockt nach unten – 20 Meter sind bis es bis zum Boden, die Pflastersteine kann ich gut erkennen. Mit jedem Versuch wird das Aufschwingen allerdings angenehmer, das Hinsetzen klappt auch. Zwischendurch genieße ich sogar die Aussicht über den Marktplatz.

Nach einigen Minuten habe ich genug. Ich brauche jetzt wieder festen Boden unter den Füßen, zumindest für kurze Zeit. Und ich ertappe mich dabei, dass ich lächele. Ich fühle mich so berauscht, dass ich spüre, dass ich mich noch mal auf das Seil schwingen möchte – Muffensausen hin, Anspannung her.

Wenig später schwingt sich eine Slacklinerin auf die Highline. Sie steht, hopst, fällt und wiederholt alles wieder. Wahnsinn, denke ich, was für ein unfassbar schwieriger Sport, der so viele Eigenschaften auf höchstem Niveau erfordert: Gleichgewichtssinn, Körperspannung, Konzentration, Ausdauer, Fokussierung, Mut. Ein bisschen was von all dem habe ich heute auch geschafft – was für ein gutes Gefühl.

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Beim Hoeg-Festival, das noch bis Sonntag in der Innenstadt veranstaltet wird, können Zuschauer den Sportlern auf dem Domshof tagsüber beim Balancieren auf den Highlines zuschauen. Alle Infos zum Hoeg-Sommerfest finden Sie hier.

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