Das ist kein Platz, auf dem man sich wohlfühlt. Öde ist er, abgenutzt. Ein Ort allenfalls zum Vorüberhuschen, aber nicht, um sich aufzuhalten, Menschen zu treffen. Bis auf ein paar Bäume nur graues Pflaster, das sich im Sommer stark aufheizt. Der Helsingborger Platz in Burglesum ist ein Beispiel dafür, was in Bremen aus Sicht des Senats künftig zu tun ist: Flächen öffnen, die asphaltiert und gepflastert sind. Doch wo sind diese Flächen, was ist möglich im Stadtgebiet? Die Bremische Bürgerschaft will das genau wissen. Sie hat beschlossen, ein Entsiegelungskataster einzuführen. In einem halben Jahr soll es erste Ergebnisse geben.
Für den Helsingborger Platz im Wohnquartier Marßel wird das Kataster nicht mehr benötigt. Dort gibt es schon Abhilfe. Der Plan ist mit einer halben Million Euro finanziert. Rund 500 Quadratmeter werden im kommenden Jahr in eine Grünfläche umgewandelt. "Ziel ist, den kahl wirkenden Platz klimaangepasst umzugestalten und ihn für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu einem Treffpunkt mit Aufenthaltsqualität zu entwickeln", heißt es in einer Vorlage der Baubehörde. Vorgesehen ist auch ein Trinkwasserbrunnen.
Marßeler Vorbild
Nach dem Marßeler Vorbild soll es im gesamten Stadtgebiet weitergehen. "Buchstäblich an jeder Ecke schlummert Potenzial, uns gegen heiße Tage und trockene Wochen zu wappnen und die Stadtnatur zu beleben", sagt Bithja Menzel, baupolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Pflastersteine und Platten, Asphalt, Beton und Fliesen könnten großflächig oder kleinteilig entfernt werden – überall dort, wo sie keine wirklich notwendige Funktion hätten.
Als Beispiele nennt Menzel einen Streifen der Bürgerweide am Schlachthof, den Dorfplatz in Huchting und Flächen in Gröpelingen. Regenwasser solle versickern können und so den Druck von Kanälen und Kellern nehmen. "Das gilt für Vorgärten genauso wie für Parkplätze, für Schulhöfe ebenso wie für Firmengelände und Terrassen. Auch manche Straßen können wasserdurchlässiger gestaltet werden", erklärt die Abgeordnete.
Nur öffentliche Flächen ausgewählt
Menzel hat den Beschluss der drei Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und Linken vorbereitet. Bei dem Entsiegelungskataster soll es zunächst allein um öffentliche Flächen gehen. Erfasst werden sie durch Satellitendaten und Luftbilder, die der Bremer Raumfahrtkonzern OHB zur Verfügung gestellt hat. Das Material schlummert bereits in den Rechnern des Landesamtes Geoinformation.
Um damit differenziert umgehen zu können, muss es nach Art der Versiegelung aufgeschlüsselt werden. Was ist das: ein Kieselbeet, die geteerte Fläche eines Parkplatzes, das Dach einer Garage oder die Wüste aus Pflaster? Helfen soll künstliche Intelligenz. OHB-Ingenieure und Behördenmitarbeiter knobeln zurzeit noch an einer Lösung, die ein systematisches Vorgehen erlaubt.
Auch Schottergärten im Blick
Unter diesen Radar fallen letztlich auch die privaten Grundstücke, obwohl sie nicht Gegenstand des Katasters sind. Bremen hat im vergangenen Jahr die sogenannten Schottergärten verboten. Darunter fallen auch bestehende Anlagen. Sie müssen bis spätestens Ende 2026 beseitigt werden. Wo es danach weiterhin solche Art von Gartengestaltung gibt, können die Behörden aus den aufgearbeiteten OHB-Daten ersehen – mit welchen Folgen für die Eigentümer, ist noch offen.
Unabhängig vom geplanten Entsiegelungskataster hat Bremen am Freitag ein Konzept vorgelegt, wie speziell in der Innenstadt die Folgen der Klimakrise abgefangen werden können. "Mehr Grün, mehr Versickerungsflächen und Fassadengrün", lautet das Credo von Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne). 30 Orte in der City seien ganz besonders von Hitze, Starkregen und Wind betroffen.
Neues Konzept, den Klimawandel anzugehen
Als erstes Projekt will das Amt für Straßen und Verkehr die Dechanatstraße im kommenden Jahr zur Klimastraße umbauen. Konkret im Fokus sind auch die Langen- und Museumstraße und der Jakobikirchhof. Moosdorf will das neue Konzept nach ihren Worten außerdem dafür nutzen, den Klimawandel bei den anstehenden großen Bauvorhaben in der City von Anfang an mitzudenken.
Ein kreativer Ansatz, Flächen zu entsiegeln, wird in den Niederlanden verfolgt. Dort gibt es jedes Jahr einen Wettbewerb unter den Kommunen, wer sich beim "Tegelwippen" (Fliesen lösen) besonders hervortut. Seit 2020 wurden insgesamt neun Millionen Pflastersteine durch Rasen, Blumen und Bäume ersetzt. Zu gewinnen gibt es die Goldene Fliese.