Früher war es die Vulkan-Werftzentrale, bis nächste Woche soll es zu Bremens größtem Flüchtlingsprojekt umgebaut sein.
Vor diesen Fahrstühlen wartet immer jemand, der mit will. Erste Etage: Fünf Fliesenleger wollen rein, vier Elektriker raus. Drittes Obergeschoss: Zwei Trockenbauer schieben sich nach draußen, drei Heizungsmonteure nach drinnen. So geht das zehn, manchmal zwölf Stunden am Tag, auch am Wochenende, auch feiertags. „Endspurt auf der Baustelle.“ Dieter Kröger sagt das. Und er zeigt das. Der Mann von der Bührmann-Gruppe trägt rote Turnschuhe beim Rundgang durchs Haus. Früher war es Werftzentrale, bis nächste Woche soll es zu Bremens größtem Flüchtlingsprojekt umgebaut sein.
Kröger spricht über den Zeitplan so, als wären die 120 Handwerker längst weg. Als würde niemand mehr Deckenlampen einbauen, Kabel anschließen, Wände streichen, Laminat verlegen. Als gäbe es keinen Zweifel daran, dass alles fertig wird: „Der Termin für die Schlüsselübergabe steht.“ Eigentlich sind es mehrere Termine, weil es mehrere Mieter sind, die in das frühere Gebäude des Bremer Vulkan einziehen: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Stadt mit der Zentralen Aufnahmestelle (Zast), dem Gesundheitsamt und der Notunterkunft.
Die ist seit Monaten eröffnet. Kröger hat sie schon oft gezeigt: der Sozialsenatorin, Abgeordneten der Bürgerschaft, Vertretern der Beiräte. Heute geht es ihm um etwas anderes und in zwei Gebäudeteile, die bisher noch nicht fertig waren. Der Manager, „Vertrags- und Finanzwesen“ steht auf seiner Karte, nennt sie Flügel B und C. Manchmal sagt er auch einfach Behördenblock und Zast-Trakt. Flügel A ist die Notunterkunft. Von oben sieht der ehemalige Konzernsitz in Fähr-Lobbendorf wie ein riesiges Y aus. Der Bau aus Stahl und Beton ist so groß wie dreieinhalb Fußballfelder.
Erste Möbel da
Kröger will nach ganz oben. Vierte Etage: Statt Handwerker stehen Stahlschränke vor der Fahrstuhltür. Der erste Mieter hat die ersten Möbel gebracht. Der Mann, der sie auf verschiedene Räume verteilen will, spricht von der ersten Fuhre. Aus seinem Namen macht er ein Geheimnis. Kröger kennt das schon: „Eine Bundesbehörde ist eben nicht irgendeine Behörde.“ Alles, sagt er, ist ein bisschen spezieller. Die Räume sehen dagegen gewöhnlich aus – weiße Wände, Holzimitat auf dem Boden. Alle Zimmer sind bezugsfertig. Auch die Teeküchen sind schon eingeräumt. Auf jeder Etage gibt es eine. Das Bundesamt für Migration zieht in die Geschosse zwei bis vier.
Das Spezielle kann man noch nicht sehen. Kröger sagt, dass es einen Sicherheitsdienst für das gesamte Haus gibt und einen gesonderten für das Personal des Migrationsamtes. Auch ihr Parkplatz wird nicht so wie der für andere Leute. Er wird extra eingezäunt. Zunächst kommen 60 Bundesbeamte, später mehr. So sagt es der Mann, der seinen Namen lieber für sich behält. Kröger kommt Pi mal Daumen auf 250 Menschen, die in der früheren Werftzentrale arbeiten werden. Und auf rund 3000 Quadratmeter Bürofläche, die für sie hergerichtet wurden.
Bei seiner Hochrechnung hat er alle Ämter und Organisationen mitgezählt: das Gesundheitsamt, das für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge zuständig ist. Die Zentrale Aufnahmestelle, in der sie registriert und wohnen werden. Und die Arbeiterwohlfahrt, die längst da ist. Sie ist Trägerin der Notunterkunft. Bis zu 450 Flüchtlinge können untergebracht werden und noch mal 300, wenn die Aufnahmestelle eröffnet wird. Wann das sein wird, kann Kröger nicht sagen. Und Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), nur so ungefähr: „Die Behörden ziehen in der ersten und zweiten Oktoberwoche ein.“
Kröger will wieder Fahrstuhl fahren. Drittes Obergeschoss: Zwei Reinigungskräfte warten im Gang. Handwerker sind nicht zu sehen. Der Manager sagt, warum. „Auf dieser Etage gibt es nichts mehr zu tun.“ Er steht in einem Flur im Flügel C und öffnet Türen. Dahinter sind die Wohnräume, die zur Anlaufstelle gehören. Und die sind anders als die Flüchtlingszimmer in der Notunterkunft. Die Wände schließen mit der Decke ab und lassen keine Lücke wie im Flügel A, wo man den Nachbarn hören kann. Und sie sind aus Beton und nicht aus Holzfaserplatten. Kröger sagt, dass in der Anlaufstelle die Flüchtlinge länger wohnen werden – „darum bieten sie vergleichsweise auch mehr Komfort“.
Ganz normale Zimmer
Im Grunde sind es ganz normale Zimmer. Wie in den Büros des Bundesamtes für Migration sind die Wände weiß. Und wie dort fehlen nur noch die Möbel. Auf dem Boden ist helles Laminat verlegt.
Die Wohnräume sind so angeordnet, dass sie jeweils links und rechts an der Fensterseite des Gebäudes liegen. In der Etagenmitte befinden sich die Toiletten und Duschen. Die Zimmer sind für zwei bis drei Personen ausgelegt. Es gibt auch welche, die größer sind und in denen Dutzende Menschen auf Matratzen schlafen können. Marina Golubew, die für die Arbeiterwohlfahrt die Unterkunft in Flügel A leitet, bezeichnet sie als Notfallräume: „Wir brauchen sie, damit wir schnell reagieren können, falls die Flüchtlingszahlen plötzlich wieder nach oben gehen.“
Momentan gehen sie nach unten. Zumindest in ihrer Notunterkunft. Vor Monaten waren dort 260 Menschen untergekommen, vor zwei Wochen lag die Zahl bei 230. Ob in der früheren Konzernzentrale jemals 750 Flüchtlinge vorübergehend wohnen werden, darüber kann Manager Kröger nur spekulieren: „Vielleicht dann, wenn bremenweit noch mehr Notunterkünfte aufgelöst werden als bisher.“ Spekulieren will der Mann aber eigentlich nicht. Er will sagen, was ist.
Ihm geht es um andere Zahlen. Zum Beispiel um die Ziffer 19 000 – das ist die Quadratmeterfläche, die im ehemaligen Vulkan-Werftsitz entkernt wurde. Um 608 Räume, die neu geschaffen wurden. Um 600 Tonnen Beton und Metall, die beim Entkernen angefallen sind. Und um 250 Tonnen belastetes Material, das von Spezialfirmen entsorgt wurde. Und weil das mehr ist, als Gutachter ursprünglich im Gebäude vermutet hatten, sind auch die Umbaukosten gestiegen. Um wie viel, hat Kröger noch nicht genau ausgerechnet. Eigentlich hatte er 20 Millionen Euro veranschlagt, inklusive Reserve. Doch die ist mittlerweile aufgebraucht: „Wir werden also über der kalkulierten Marke liegen.“
Noch andere Gründe, warum alles teurer wird
Es gibt noch andere Gründe, warum das Projekt teurer wird. Karin Hackbarth nennt sie. Die Frau ist die leitende Architektin auf der Baustelle. Sie tippt auf einen Plan, der die Flügel von oben zeigt. Fast überall bleibt ihr Finger für Sekunden an ein und derselben Stelle. Weil fast überall im Gebäude der Brandschutz nachgebessert werden musste – und immer wieder aufs Neue: „Die Auflagen und Ergänzungen zu den Auflagen kamen fast wöchentlich.“
Es geht nach unten. Kellergeschoss: Mehrere Elektriker wollen in den Fahrstuhl, andere in den Gang, an den sich die mehrere Technikräume reihen. Die Architektin will etwas zeigen, das ebenfalls teuer war. Alles, sagt sie, musste ausgetauscht werden. Hackbarth schaut auf meterbreite und meterhohe Lüftungsschächte, auf Wasser-, Gas- und Stromleitungen, die aus der Wand kommen und in der Decke verschwinden. Kröger hat es mal im Kopf überschlagen: Allein beim Strom kommt er auf 250 Kilometer Kabel, die neu verlegt werden mussten. „Das ist ungefähr die Strecke von Bremen nach Göttingen.“
Im Keller nennt er eine letzte Zahl: zehn. Sie steht für die Monate, die er und die Handwerker für den Umbau Zeit hatten.