Bisher haben Vertreter der Bildungs- und der Wirtschaftsbehörde davon gesprochen, dass aus dem Gelände der Bremer Woll-Kämmerei mehr werden soll: nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch eine Bildungsstandort. Jetzt sprechen sie erstmals über konkrete Konzepte für einen Campus mit mehreren Berufsschulen. Drei Planungsbüros haben ihnen gezeigt, was auf dem Blumenthaler Industriegrundstück möglich ist. Seit Kurzem steht fest, welcher Entwurf der beste ist – und was die Planer wo auf einer zehn Hektar großen Fläche vorgesehen haben.
Es ist nicht nur ein großes Projekt für den Stadtteil, es ist momentan das größte Schulvorhaben in Bremen überhaupt: Bildungs- und Wirtschaftsbehörde planen, bis zu fünf Berufsschulen auf dem Kämmerei-Gelände anzusiedeln – und um sie herum mehrere Handwerksbetriebe. Die Ressorts wollen kurze Wege schaffen. Einerseits für die Auszubildenden, um zum Unterricht zu gelangen. Und andererseits für die Firmen, um Fachkräfte zu finden. Die Behörden rechnen am neuen Standort mit mehreren tausend Schülern und mehreren hundert Lehrern. Die genauen Zahlen werden noch ermittelt. Im Gespräch für den Campus sind Schulen aus dem Norden, aber auch aus dem Westen der Stadt.
Johannes Langer hat sich alle angeschaut, die für einen Umzug infrage kommen. Der Quartiersentwickler wollte wissen, wie der alte Standort der Schulen aussieht, bevor er einen Plan für einen neuen entwirft. Langer arbeitet für die Kölner Dependance des niederländischen Planungsbüros De zwarte Hond (Der schwarze Hund). Er und sein Team haben schon häufiger erläutert, wie sie das Industriegelände zum Bildungsstandort machen würden – zuletzt im Dezember, als eine Jury ihren Entwurf für den besten erklärte. Drei Unternehmen waren in einem Wettbewerb gegeneinander angetreten. Die Kölner hatten sich gegen zwei Bremer Unternehmen durchgesetzt.
Was den Juroren an Langers Konzept besonders gefällt, ist die „städtebauliche Verzahnung“. Der Projektleiter und seine Kollegen haben alles verbunden: die Berufsschulen, die benachbarten Firmen, die angrenzenden Quartiere. Sie haben Wege und Durchgänge geplant, wo bisher keine sind – zum alten Rathaus des Stadtteils, zu einem Geschäftszentrum nebenan, zum Marktplatz gegenüber. Stadtteilpolitiker und Ortsamtsleiter sprechen von einem neuen Ortsteil, der mit dem Campus entsteht. Von einem Meilenstein, der Blumenthal voranbringen wird. Und davon, dass die Behörden im Norden etwas schaffen wollen, das es nirgendwo in Bremen gibt.
Der Siegerentwurf sieht vier Berufsschulen plus einen Komplex für die kaufmännische Ausbildung vor. Die Gebäude sind optional. Langer sagt, dass sie durch Wohnhäuser ersetzt werden können. Fest eingeplant hat er dagegen eine Schule für Bautechnik, Garten- und Landschaftsplanung, eine für Metallbau, eine für Elektro- sowie Metalltechnik und eine für Hauswirtschaft und Sozialpädagogik. Drei Bildungsstätten sind Neubauten, zwei eine Kombination aus Altem und Neuem. Auf dem Kämmerei-Gelände gibt es mehrere Gebäude, die als erhaltenswert eingestuft wurden beziehungsweise unter Denkmalschutz stehen.
Parkhaus mit Tribüne
Sowohl das frühere Sortiergebäude als auch der sogenannte Hochbau bleiben stehen. Andere Gebäude, die nicht geschützt sind und leer stehen, sollen dagegen abgerissen werden, um Platz für den Campus und seinen Handwerkerpark zu schaffen. Neben Schulgebäuden und Werkstätten sieht der Entwurf eine Mensa, Sporthallen, ein Café und ein Wohnheim für Berufsschüler vor. Langer sagt, das immer mehr junge Menschen umziehen, um eine Ausbildung zu beginnen. Und deshalb immer mehr Kommunen ein Gebäude mit Appartements in der Nähe von Bildungseinrichtungen vorsehen. Auch das Wohnheim ist ihm zufolge optional.
Anders als das Parkhaus. Die Planer sollten bei ihren Entwürfen etwa 500 Stellplätze für Autos und 1200 für Räder schaffen. Langer und sein Team haben nach eigenen Worten nicht irgendein Parkdeck und nicht irgendeine Fahrradgarage entworfen. Auf beiden kann man sitzen. Die Dächer sind wie eine Tribüne beziehungsweise wie eine Hügellandschaft angeordnet. Beide lassen sich begrünen. Die Quartiersentwickler haben das Parkhaus an den Rand des Woll-Kämmerei-Geländes geplant, die unterirdischen Fahrradboxen dagegen direkt im Campus-Zentrum zwischen zwei Schulen.
Ob Langers Entwurf eins zu eins umgesetzt werden kann, ist unklar. Nach Angaben der Behörden wird momentan geprüft, welche Ideen der Kölner Planer umsetzbar sind und welche nicht. Fest steht für sie bisher nur, dass der Bildungscampus wegen seiner Dimensionen in Etappen gebaut werden muss. Die Ressorts gehen davon aus, dass die erste Schule mit dem Unterricht auf dem Industriegrundstück 2022/2023 beginnen wird und die letzte zehn bis 15 Jahre später. Wie viel das Projekt am Ende kosten wird, können die Behörden nach eigenem Bekunden noch nicht abschätzen. Stadtteilpolitiker gehen von einem dreistelligen Millionenbetrag aus. Bisher haben die Behörden 120.000 Euro in die Planung investiert.