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Digitale Teilhabe im Alter Bremens Seniorenvertreter kritisiert Abbau analoger Angebote

Die Digitalisierung schreitet in allen Bereichen voran. Gleichzeitig fühlen sich ältere Menschen von ihr abgehängt. Müssen sich Senioren trotz fortgeschrittenen Alters umstellen, oder braucht es analoge Wege?
10.02.2024, 08:00 Uhr
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Von Karolina Benedyk

Arzttermine per App buchen oder eine Onlinesprechstunde vereinbaren? Viele Angebote, die Menschen früher wie selbstverständlich auf Papier, telefonisch oder vor Ort erledigen konnten, haben sich ins Digitale verschoben. Auch das rosafarbene Papierrezept wurde im Januar durch das E-Rezept abgelöst.

Digitale Lösungen dringen in alle Lebensbereiche vor. Zum einen sparen sie Zeit. Gleichzeitig verstärke ihr Einsatz die Spaltung zwischen Jung und Alt, sagt der Bremer Seniorenvertreter Michael Breidbach, denn: „Ältere Menschen fühlen sich in immer mehr Lebensbereichen abgehängt.“ Er plädiert dafür, den kompletten Abbau analoger Lösungen zu verhindern.

Geschäfte des täglichen Lebens verlagern sich ins Internet

Es sei wichtig, mit neuen Entwicklungen Schritt zu halten, so Breidbach. Doch für viele Menschen sei etwa der Umstieg vom Kursbuch der Deutschen Bahn (DB) auf die DB-App schwierig. Laut Statistischem Bundesamt nutzten im vergangenen Jahr 85 Prozent der 65- bis 74-Jährigen das Internet. Je älter die Befragten, desto geringer ist ihr Anteil.

Geschäfte des täglichen Lebens müssen weiterhin auch ohne Handy, Computer oder Tablet möglich sein.
Michael Breidbach, Seniorenvertreter

Insbesondere der Nah- und Fernverkehr bietet heute wenig Möglichkeiten, sich auf analogem Weg auszuhelfen. „Es gibt zwar noch Schalter der Deutschen Bahn. Dort sind aber beispielsweise keine Super-Sparangebote erhältlich“, sagt Breidbach. Wo kein Schalter offen ist, müssten Seniorinnen und Senioren Fahrkartenautomaten bedienen. Früher stellte die DB Helferinnen und Helfer ein, die älteren, aber auch einigen jüngeren Menschen, wie Breidbach betont, bei dem Umgang mit den Automaten halfen. Die gebe es nicht mehr, obwohl der Bedarf weiterhin bestehe.

Auch Banken, Poststellen oder Polizeibehörden profitieren von digitalen Lösungen. Die wenigsten Menschen würden in Bremen einen Fahrraddiebstahl noch persönlich anzeigen, da es über die Onlinewache schneller erledigt sei, sagt Breidbach. Das spiegelt einen aktuellen Trend wider: Behörden verzichteten auf Papierdokumente, immer mehr Standorte schlössen in Außenbezirken. „Das ist ein riesiges Problem“, sagt der Seniorenvertreter, „denn das bedeutet, dass Senioren weniger betreut werden und weitere Strecken fahren müssen, um sich persönlich beraten zu lassen.“

Kulturelle Teilhabe ohne Internet?

Auch im kulturellen Bereich setze soziale Teilhabe immer häufiger digitale Teilhabe voraus, sagt Breidbach. Werbung für kulturelle Veranstaltungen finde im Internet und in den sozialen Medien statt. Das sei für die Anbieter günstiger, bedeute aber auch, dass ältere Menschen Schwierigkeiten haben, Zugang zu Informationen zu erhalten.

Zudem seien Kursangebote beispielsweise der Volkshochschule oder der Banken laut dem Seniorenvertreter nicht niedrigschwellig genug. Einige Banken bieten dagegen Schulungen und Hausbesuche an. Dabei zeigen deren Vertreter Interessierten, wie Homebanking funktioniert, oder installieren die erforderliche Software auf den Laptops. „Das ist alles wichtig, reicht jedoch nicht aus“, sagt Breidbach. Denn einerseits kosteten diese Angebote Geld, andererseits gebe es Menschen, die sie nicht wahrnehmen wollten. „Und auch diese Menschen haben ein Recht darauf, nicht abgehängt zu werden“, sagt Breidbach. „Geschäfte des täglichen Lebens müssen weiterhin auch ohne Handy, Computer oder Tablet möglich sein.“

Quartiersnahe Beratungsstellen

Eine Lösung sieht Breidbach in quartiersnahen Beratungsstellen. In entfernteren Stadtteilen könnten sich Polizeibehörden, Bürgerämter und Banken in gemeinschaftlichen Räumen zusammenfinden. Das spare Geld und gleichzeitig ermögliche es vielen Menschen, sich selbstständig Hilfe zu suchen. Breidbach glaubt, dass der Zugang zu digitalen Lösungen mit jeder Generation zunehme, „doch solange das nicht alle Menschen trifft, muss man der Totalabhängigkeit von Medien entgegenwirken“.

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