Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kolumne 0421 Wo die Straßen keine Namen haben: Unterwegs zwischen Hass und Liebe

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Straßenverzeichnis, Hass und Liebe.
08.06.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Wo die Straßen keine Namen haben: Unterwegs zwischen Hass und Liebe
Von Oliver Matiszick

Sollten Sie dieser Tage – etwa beim sehnsuchtsvollen Warten darauf, dass der Sommer im 0421-Land endlich durchstartet – etwas Zeit zu vertreiben haben, so empfehle ich das Amtliche Straßenverzeichnis der Stadt Bremen. Das lässt sich im Internet herunterladen und ist auf 75 Seiten ein Füllhorn an Informationen. Zugegeben: Es gibt ohne Frage Lektüren, deren Erzählfluss ausgefeilter ist. Aber was gibt es beim Scrollen von Anfang bis Ende des PDF-Dokuments, zwischen Aachener und Zwoller Straße, nicht alles zu entdecken!

So bin ich schon auf die Reaktionen gespannt, wenn ich beim demnächst anstehenden Sommerfest die kollegialen Gesprächsrunden wie beiläufig damit bereichere, dass die Kornstraße in Huckelriede mit der 648 die höchste Hausnummer der Stadt aufweist. Und wenn das nichts hilft, dann bietet das Straßenverzeichnis noch eine Art Joker. Schließlich steht mittendrin auf Seite 35 die, tja, Langemarckstraße. Da ist Gesprächsstoff garantiert.

Denn was für ein hübsches Sommertheater erlebt die Stadt doch gerade rund um die angestrebte Umbenennung in Georg-Elser-Allee. Geschichtsbewusste Befürworter des Namenswechsels zanken sich mit Anwohnern, die sich davon überrumpelt fühlen. Während irgendwo dazwischen der Senat als Entscheider nicht so richtig weiß, bei wem er sich am Ende unbeliebt machen will. Deshalb sollen sich nun auch die von einer Umbenennung betroffenen Menschen zur Sache äußern dürfen.

Lesen Sie auch

Das wäre, kleinlich betrachtet, schon vor dem Beiratsbeschluss von 2022 so verkehrt nicht gewesen, hätte es doch wenigstens von höflichem Interesse gezeugt. Der späte Entschluss für diesen Schritt zeigt immerhin, dass Bürgerbeteiligung nicht nur für eine Aneinanderreihung von 17 Buchstaben steht. Ein bisschen so wie früher, als im ZDF mit „Wie würden Sie entscheiden?“ die Mutter aller TV-Gerichte tagte, inklusive Urteilsfindung durch das Publikum im Studio.

Das wäre, kleinlich betrachtet, schon vor dem Beiratsbeschluss von 2022 so verkehrt nicht gewesen, hätte es doch wenigstens von höflichem Interesse gezeugt. Der späte Entschluss für diesen Schritt zeigt immerhin, dass Bürgerbeteiligung nicht nur für eine Aneinanderreihung von 17 Buchstaben steht. Ein bisschen so wie früher, als im ZDF mit „Wie würden Sie entscheiden?“ die Mutter aller TV-Gerichte tagte, inklusive Urteilsfindung durch das Publikum im Studio.

Doch hätte ich mir deshalb gewünscht, dass meine Straße einen anderen, unverdächtigeren Namen bekäme? Niemals! Es sei denn, im Angebot wäre alternativ so etwas wie Liebesgrasweg gewesen. Der steht im Bremer Straßenverzeichnis übrigens auf Seite 36, als höchste Hausnummer ist die Ziffer 11 vermerkt.

Tagebucheintrag: Als ich diese Woche durch die Langemarckstraße fuhr, lief im Radio das Eröffnungsstück meines Lieblingsalbums von 1987: „Where the streets have no name“. Und jetzt kommen Sie mir damit, dass es keine Zufälle gibt.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)