Der Osterholzer Friedhof liegt Jens Heise am Herzen: „Ich habe Angehörige hier, Bekannte und einen Kollegen“, sagt der 58-Jährige. Anwohner ist er obendrein. Ihn ärgert, dass seit einiger Zeit die Friedhofstore und -pforten nicht mehr abgeschlossen werden: Prompt habe es Diebstähle gegeben. Heise hat von demontierten Blitzableitern gehört. Und sonntags stünden Autos auf dem Friedhof. Es könne doch nicht sein, dass der Ort der letzten Ruhe rund um die Uhr geöffnet sei, meint der Osterholzer. Tatsächlich ist das so gewollt, wie sich herausstellt.
Erst habe er es nicht glauben können, sagt Jens Heise: „Ich bin nachts mit dem Fahrrad und einer Taschenlampe hin. Stockdunkel ist es dort. Das ist schon surreal, nachts über den Friedhof zu fahren. Ich bin von der Ludwig-Roselius-Allee aus rein und vorne durch das Haupttor, das sperrangelweit offenstand, wieder raus.“ Auch wenn es gruselig war und nicht ganz korrekt, dort zu radeln – die Aktion hat zumindest für Klarheit gesorgt: Abgeschlossen ist dort nichts. „Eine erhebliche Sicherheitslücke“, meint Heise. „Die ist besonders bedenklich im Hinblick auf die ungeschützten Gräber, für deren Nutzung Gebühren entrichtet werden, sowie auf den Schutz der Ruhe und Würde der Verstorbenen.“
Öffnung "problematisch"
Die 13 städtischen Friedhöfe „werden seit längerer Zeit nicht mehr verschlossen“, sagt Kerstin Doty, die Sprecherin des für die Pflege und Verwaltung zuständigen Umweltbetriebes Bremen (UBB). Der Osterholzer Friedhof sei der letzte, für den die Schließzeiten aufgehoben worden seien. Nach den Informationen von Jens Heise soll das aus Kostengründen erfolgt sein. Die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Haushaltsführung könne er „grundsätzlich nachvollziehen“, sagt er. Er halte es aber für „problematisch, wenn dadurch die Sicherheit und der Schutz der Friedhofsanlage sowie der dort Bestatteten beeinträchtigt“ würden. Sollten Einspargründe maßgeblich gewesen sein, könne die „Einbindung ehrenamtlicher Helfer“ eine Lösung sein, überlegt er. „Das müsste natürlich organisiert sein. Ich würde das machen.“
Das Engagement des Osterholzers ist nicht gefragt. Dass der Schließdienst abgeschafft worden ist, hat Gründe, um nicht zu sagen System: „Hinter der Entscheidung steht neben der Kostenfrage die Haltung, dass es Menschen grundsätzlich möglich sein soll, den öffentlichen Friedhof und dort beigesetzte Angehörige jederzeit besuchen zu können“, erklärt UBB-Sprecherin Kerstin Doty. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die städtischen Friedhöfe wie Parkanlagen als frei zugängliche Erholungsorte genutzt werden.“ In der Vergangenheit hätten abgeschlossene Friedhofstore zu „Unmut bei Bürgerinnen und Bürgern“ geführt.

Die bronzene Skulpturengruppe des Künstlers Siegfried Neuenhausen wurde 2023 am Friedhof Osterholz von ihren Sockeln gerissen.
Die Stadt Achim ist den umgekehrten Weg gegangen: Seit dem Herbst ist ein Seitenzugang zum Parkfriedhof geschlossen, nachdem dort regelmäßig die Friedhofsordnung missachtet und E-Scooter, Fahrräder und Hunde mitgebracht worden seien. Auch an und auf Bremer Friedhöfen waren in der Vergangenheit Probleme zu beklagen. Damit ist nicht allein der fortgesetzte Pflanzendiebstahl auf dem Waller Friedhof gemeint, den eine Leserin des WESER-KURIER beklagte. Vor rund zwei Jahren hatten Metalldiebe Gräber auf dem Riensberger Friedhof beschädigt. Und im Winter 2023 war am Osterholzer Friedhof der Großteil einer bronzenen Skulpturengruppe des Künstlers Siegfried Neuenhausen von seinen Sockeln gerissen und gestohlen worden.
Rund 46 Jahre hatte das Ensemble mit dem Titel „Tod, Solidarität mit den Trauernden, Überwindung der Trauer“ an seinem Platz nahe dem Eingang an der Ludwig-Roselius-Allee gestanden. Dennoch: Das Risiko, dass dort künftig nachts bei offenen Toren Unheil geschehen könnte, hält Kerstin Doty für überschaubar: „In der Regel halten sich Vandalismusvorfälle auf den städtischen Friedhöfen in Grenzen. Auf dem Friedhof Osterholz wird das Risiko als gering eingeschätzt.“
Friedhofsordnung spricht Klartext
Und was ist mit der Wahrung der Totenruhe, um die sich Jens Heise Sorgen macht? Die Sprecherin des Umweltbetriebes verweist auf das Strafgesetzbuch: Leichen- und Grabschändung sind in Deutschland ein Straftatbestand laut Paragraf 168, Absatz 3. „Der Versuch ist strafbar.“ Außerdem lässt die Friedhofsordnung für die stadteigenen Gräberflächen keinen Zweifel zu: „Auf den Friedhöfen hat sich jeder der Würde des Orts entsprechend zu verhalten.“ Auch nachts und bei offenen Toren.