Wenn mich diese Woche eine Nachricht aufzumuntern vermochte, dann war es die, die ich im Internet entdeckte: Optimismus ist bis ins Alter erlernbar. Das las ich, als ich nach dem Training mit meiner Handballmannschaft, in der die meisten Mitspieler meine Nachkommen sein könnten, abermals zu der Erkenntnis gelangte, dass unsere Erfolgsaussichten gewiss größer wären, wenn ich die Rolle des Maskottchens übernehmen würde. Das wirft von der Außenposition schließlich auch keine Tore. Mitten in diesen Pessimismus hinein legte mir das Internet-Fundstück dar, wie der Weg zu dem führt, was die Psychologie realistischen Optimismus nennt: Akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man nicht verändern kann, stattdessen auf Dinge fokussieren, über die man die Kontrolle hat.
Also los: Ich bin optimistisch, einen wichtigen Beitrag zur Zukunft des 0421-Landes zu leisten, weil ich die Sache mit der Erziehung meiner Kinder zu anständigen Menschen unter Kontrolle habe. Mein Spezialgebiet: die Vermittlung binsenhafter Lebensweisheiten. Dazu zählt, dass in geschlossenen Räumen keine Kopfbedeckungen getragen werden. Dass mein Nachwuchs diese Regel befolgt, dürfte allerdings weniger an meinem pädagogischen Einfühlungs-, schon gar nicht dem erziehungsberechtigten Durchsetzungsvermögen liegen. Sondern an dem Umstand, dass er ohnehin nicht auf Mützen, Caps oder sonstige Behütungen steht. Willi Lemke, da bin ich sicher, hätte meine Beharrlichkeit in der Sache dennoch zu schätzen gewusst.
Denn bei all dem, was es diese Woche nach dem Tod dieser charismatischen Bremer Persönlichkeit an Würdigungen gegeben hat, hat mir eine Sache gefehlt: Lemkes Coup mit Sitte und Anstand. Im Juli 2003 platzte dem damaligen Bildungssenator die – sieh an! – Hutschnur, machte er doch einen beklagenswerten Verfall der Umgangsformen an den Schulen der Stadt aus. Und forderte von den Heranwachsenden sodann ein Mehr an Höflichkeit, Pünktlichkeit, Benimm und halbwegs anständiger Kleidung. Die größtmögliche Aufmerksamkeit von Zeitungen, Funk und Fernsehen im ganzen Land war Lemke gewiss. Schließlich hatte er seinen Vorstoß zielsicher ins mediale Sommerloch gesetzt. Was für ein perfekt getimtes Sommertheater. Da lässt sich in der Rückschau nur sagen: Hut ab!
Zumal sich anhand von Lemkes Nach-Nachfolgerin im Amt (die exakte Nach-Zahl ermitteln Sie bitte selbst) erleben ließ, wie es weniger gut bis gar nicht funktioniert. Also die Sache mit dem Sommertheater. Zu dem hatte der Bürgermeister ja in unserer geschätzten Qualitätszeitung den Abwahlantrag erklärt, dem sich die Bildungssenatorin diese Woche in der Bürgerschaft stellen musste. Dass sie ihn erwartungsgemäß überstand, fällt möglicherweise auch unter die Akzeptanzregeln des realistischen Optimismus: Dass die Bildung in Bremen noch je auf die Füße kommt, dürfte ähnlich wahrscheinlich sein wie meine späte Karriere als großer Handballer.
Tagebucheintrag: Im Büro scheitere ich mit meinen Benimmregeln gnadenlos. Davon darf sich der Kollege F. angesprochen fühlen, der meine steten Hinweise unter seiner Baseballkappe seit jeher beharrlich ignoriert.