Reisen soll ja ungemein bilden, was nach dem nunmehr amtlichen Ende der Sommerferien auch deshalb einen Mehrwert darstellt, da die Kinder in die Obhut des Bremer Bildungssystems zurückkehren. Da kann ein wenig Eigeninitiative der Erziehungsberechtigten während der vergangenen 42 Tage unterrichtsfreier Zeit (die Übernahme dieser Formulierung macht mich hoffentlich bei allen Lehrkräften, die währenddessen in Wohnmobilen durch Europa getourt sind, auf ewig beliebt) nicht geschadet haben.
So haben meine Kinder etwa ein Stück Radsportgeschichte miterlebt, zumindest die Anbahnung davon. Da endet die Tour de France seit immer in Paris, wo sie aber ja gerade mit einem anderweitigen Sportereignis gut ausgelastet sind – weshalb wir bei der Stippvisite in Nizza plötzlich und unverhofft auf abgesperrten Straßen und vor dem ausnahmsweisen Zielstrich der Tour 2024 standen. Meine Begeisterung: grenzenlos. Flugs sah ich mich in den Sommer 1997 und an den Schreibtisch im überhitzten Obergeschoss eines Hauses im Bremer Süden zurückversetzt, als das Verfassen meiner Abschlussarbeit für die Uni fast daran gescheitert wäre, da ich mit großer Ausdauer lieber am Fernseher verfolgte, was Jan Ullrich anstellte. Und sei es auf sieben Stunden Flachetappe.
Erstaunlicherweise zeigten sich meine Kinder von der Tragweite ehemaliger wie aktueller Ereignisse mäßig beeindruckt. Dass sich Tadej Pogačar dort, wo wir eben noch rumspaziert waren, tags darauf zum dritten Tour-Sieg radeln würde, stand auf der Rückfahrt thematisch klar hinter anderen Dingen zurück. Zum Beispiel der korrekten Aussprache des Begriffs Talahon. Von dem hatte ich bis dahin nie gehört, konnte mich an den Diskussionen darüber aber ohnehin nicht beteiligen – galt es doch, das Auto unbeschadet durch den Süden Frankreichs zu steuern. Was mir bis auf den Konflikt mit einem aberwitzig hohen Kantstein in einer noch viel aberwitzig engeren Parkhausausfahrt um ein Haar auch gelungen wäre. Aber das ist eine andere Geschichte, deren Rechnung sich auf 572,69 Euro beläuft.
Dafür lief mir – zurück in Bremen – der zuvor unbekannte Talahon direkt wieder über den Weg – als aussichtsreicher, aber nicht unumstrittener Kandidat für das Jugendwort 2024. Falls Ihnen das nichts sagt: Das ist ein Wettbewerb, der zwar viel beachtet, deshalb aber nicht weniger peinlich ist, weil Erwachsene unter Leitung des Langenscheidt-Verlags Jahr für Jahr meinen, dem Sprech halbwüchsiger Menschen auf die Schliche kommen zu müssen. Die Halbwüchsigen wiederum ignorieren das weitgehend, weil das, was alte Leute meinen, in ihrem Paralleluniversum ohnehin keine Rolle spielt. Auch dann nicht, wenn die sich mit dem Hinweis anbiedern, dass sie damals, zu seligen Double-Zeiten, im Stadion gerne „Yallah Yallah, Ümit Davala!“ gerufen haben. Fragende Blicke. Yallah – klar, kennt jeder Schüler in Bremen und umzu. „Aber wer ist Ümit Davala?“ Ach Kinder, da gehen wir noch mal auf Bildungsreise ins Jahr 2004.
Tagebucheintrag: Wenn Sie wissen wollen, was es mit dieser Talahon-Sache auf sich hat – fragen Sie bitte einen Jugendlichen Ihres Vertrauens im 0421-Land.