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Blühstreifen-Projekt in Bremen Einblicke ins Leben am Rand der Äcker

Monokultur auf dem Acker, mannigfaltiges Leben am Rand: Seit 2021 gibt es das Projekt „Bremer Äcker erblühen" - und nun auch erste Erkenntnisse.
06.07.2023, 05:00 Uhr
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Von JÖH

Auf Äckern ist für Insekten meist wenig zu holen: Die Monokultur lässt nur eine Pflanzenart zu, wie Mais, Raps oder Weizen, und Kräuter werden kaum geduldet. Die Pflanzenmasse auf dem Feld als Insekten-Lebensraum wird mit der Ernte abtransportiert, und zusätzlich halten Insektizide „Schädlinge“ klein. Blühstreifen am Rande von Äckern anzulegen ist deshalb ein wichtiger Ansatz, um dem aktuellen Insektenrückgang entgegenzuwirken: Zahlreiche Blütenbesucher unter den Schmetterlingen, Wildbienen, aber auch Käfer und Schwebfliegen finden in Blühstreifen Pollen und Nektar, die Raupen von Tagfaltern zum Beispiel auch Futterpflanzen wie Hornklee, Ampfer oder Veilchen.

Im Projekt „Bremer Äcker erblühen“, das im Jahre 2021 begonnen wurde, arbeiten Landwirte und Naturschützer Hand in Hand: „Fünf Landwirtschaftsbetriebe stellen derzeit Flächen zur Verfügung, und der BUND und die Stiftung Nordwestnatur kümmern sich um Saatgut und eine fachliche Beratung“, sagt BUND-Mitarbeiterin Ana Meyer, „und wir erfassen auch die Flora und Fauna der Blühstreifen – die Ergebnisse fließen dabei direkt in die Pflege der Flächen ein.“

Rückzugs- und Überwinterungsräume

Dass Blühstreifen auch hinsichtlich ihrer Insektenbesiedlung untersucht werden, bildet eher die Ausnahme: Denn die Zahl der Arten, die Blühstreifen besiedeln, kann leicht in die Hunderte gehen, und ihre Bestimmung ist zeitaufwendig. Im Projekt „Bremer Äcker erblühen“ untersucht der Insektenexperte Klaus Handke gleich vier Gruppen in den Blühstreifen, die am Hollerdeich, in Timmersloh, Hemelingen, Rekum sowie auf dem Gelände von Arcelor Mittal liegen: Tagfalter, Hummeln, Heuschrecken und Libellen.

„Häufigere Tagfalterarten wie Admiral, Kohlweißlinge oder das Tagpfauenauge haben sich schnell angesiedelt, aber auch der seltene Schwalbenschwanz und zwei Bläulingsarten wurde gesichtet“, sagt Ana Meyer.

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Für eine artenreiche Tagfalterfauna sei es wichtig, dass in den Flächen dauerhaft ein vielfältiges Blütenangebot bestehen bleibt und nicht hohe Gräser die Blumen überwuchern. Dies setzt eine regelmäßige Pflege in Form von Mahd voraus. „Das Saatgut, das aus der Region stammt, enthält zahlreiche mehrjährige Pflanzenarten, die in den Flächen über einen langen Zeitraum blühen. Doch damit sie erhalten bleiben, werden einige Blühflächen zur Hälfte gemäht, andere zur Hälfte gemulcht, aber auch immer wieder einige Bereiche von der Mahd ausgespart“, sagt Ana Meyer. So entstehen Mosaike, in denen Rückzugs- und Überwinterungsräume für viele Insekten verbleiben. In den ungemähten Flächen können viele Arten in Stängeln oder Blütenköpfen überdauern – sei es als Ei, Larve oder ausgewachsenes Tier. Der Aurorafalter zum Beispiel verbringt lange zehn Monate im sensiblen Puppenstadium, und eine Mahd seiner Wirtspflanzen, wie Wiesen-Schaumkraut, wäre für die Art ein Verhängnis.

Ziel: Vernetzung der Blühstreifen

Wenn höher- und niedrigwüchsige Bereiche in den Blühstreifen zugleich vorhanden sind, profitiert davon eine weitere Insektengruppe: die Heuschrecken. Ein ganzes Spektrum von Grashüpfer-Arten, aber auch Roesels Beißschrecke konnte Insekten-Fachmann Klaus Handke in den Blühstreifen zirpen hören, aber auch die Punktierte Zartschrecke, die Laubbäume, Gebüsche oder Stauden besiedelt. „Insgesamt zeigt sich, dass auch die Umgebungsstrukturen außerhalb der Blühstreifen eine enorme Rolle für den Besiedlungserfolg der Insekten spielen“, sagt Ana Meyer, „und dazu gehören zum Beispiel offene Sandflächen für Wildbienen, Totholz, Schutthaufen, Kleingewässer oder Gehölze. Denn viele Insekten, wie zum Beispiel Schwebfliegen, wechseln im Laufe ihres Lebens die Biotope: Während die Larven vieler Arten im Wasser leben, saugen viele ausgewachsene Schwebfliegenarten den Nektar von Blüten.

Unordentliche Strukturen haben  für Insekten einen außerordentlichen Wert.
Ana Meyer, BUND

„Wir erklären den teilnehmenden Landwirten auch, dass solche unordentlichen Strukturen in der Landschaft für Insekten einen außerordentlichen Wert haben“, sagt die Umweltwissenschaftlerin vom BUND.

Ziel sei es langfristig, immer mehr Blühstreifen miteinander zu vernetzen: „Weniger mobile Insektenarten haben es schwer, die neuen Blütenangebote zu nutzen – in der Umgebung müssen Strukturen vorhanden sein, die ihnen die Neubesiedlung der Flächen erleichtern“, sagt Ana Meyer.

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