Auf der Blühfläche von anderthalb Hektar Größe, die vor dem Hof von Eckart Hoehne liegt, ragen noch die schwärzlichen Reste von Sonnenblumen in den Himmel. „In den vertrockneten Fruchtständen können zahlreiche Vögel noch Samen finden und damit auch im Winter noch Futter“, sagt Landwirt Eckart Hoehne, „doch der wesentliche Zweck der Blühfläche ist, Insekten einen Lebensraum zu bieten.“
Auf mehr als 20 Hektar hat der Verein „Mensch, Natur, Landwirtschaft“ seit dem Jahr 2019 in Bremen und umzu Blühflächen angelegt – nicht nur in Hemelingen, sondern auch in Rekum, Oberneuland, Timmersloh und Borgfeld. Fachliche Unterstützung bekommt der Verein vom BUND Bremen und der Stiftung Nordwest-Natur, zum Beispiel bei der Auswahl von Saatgut aus der Region, das zu den jeweiligen Bodenverhältnissen passen muss. Mehr als 40 meist zweijährige Pflanzenarten wachsen auf der Blühfläche von Eckhart Hoehne, der auch erster Vorsitzender des Vereins ist.
Fast alle Bodentypen vertreten
„Bis in den November hinein hat es auf dieser Fläche geblüht“, sagt Christian Kluge, zweiter Vorsitzender des Vereins "Mensch, Natur, Landwirtschaft", und es sei erstaunlich, wie unterschiedlich sich die Flächen entwickelten: „In einem Bereich summte und brummte es von Hummeln und Wildbienen, in einem anderen ging es ruhiger zu: Dafür wimmelte es dort von Schmetterlingen – insgesamt war hier, was Insekten angeht, die Hölle los“, sagt er. Da sich die Flächen sehr unterschiedlich entwickeln, wird vom Verein auch experimentiert: Teilweise wird gemulcht, teilweise werden die Pflanzen im Herbst stehengelassen, erklärt Kluge. Bei den mehr als 20 Hektar Blühflächen, die der Verein unterhalte, seien fast alle Bodentypen der Region vertreten – entsprechend groß ist die pflanzliche Vielfalt und damit auch das Angebot für unterschiedlichste Insektengruppen, zum Beispiel unter Käfern, Schwebfliegen oder Wildbienen. Die Blühflächen bieten jedoch nicht nur den Insekten Pollen, Nektar oder Nistflächen: Auch Vögel und Niederwild finden in ihnen Schutz, Versteckmöglichkeiten oder Nahrung.
„In Zukunft wollen wir auch mit Schulen kooperieren“, sagt Christian Kluge, „dazu werden wir Kinder durch die Blühflächen führen und ihnen die artenreiche Insektenwelt nahe bringen.“ Dazu sei auch geplant, Wege durch die blütenreichen Flächen zu fräsen, die einst Acker waren. Doch weil auf den ehemaligen Feldern nichts mehr angebaut und geerntet wird, kommt es für die Landwirte zu Produktionsverlusten. „Sie können jedoch durch Spenden für den Verein wieder kompensiert werden“, sagt Kluge. Das Potenzial für Blühflächen in Bremen sei längst noch nicht erschöpft, betont er, „wir legen sie zwar ausschließlich in landwirtschaftlichen Betrieben mit Ackerbau an, doch es gibt noch genügend weitere Gebiete im Bremer Raum, die zugunsten der Artenvielfalt aus der Nutzung genommen werden können.“ Mangel an Landwirten, die bei dem Projekt mitmachen wollen, bestehe nicht, so Kluge, es gebe bereits eine Warteliste.
Zweite Säule der Landwirtschaft
In Zeiten, in denen von vielen eine Agrarwende gefordert werde, könne die Anlage von Blühflächen eine zweite Säule der Landwirtschaft werden, ist Kluge überzeugt, „denn sie erhöhen ja nicht nur die Artenvielfalt in der Stadt, sie können auch einen wichtigen Beitrag zur Bildung sein, indem Kinder an die Natur herangeführt werden.“ Landwirt Eckhart Hoehne betreibt in seinem Betrieb auch den Hofladen Stackkamp, in dem die Leute täglich frische Eier aus Bodenhaltung, Fruchtaufstriche, Tomaten, Kürbisse und viele Sorten Obst einkaufen können. „Wie hier könnten landwirtschaftliche Betriebe mehr und mehr auch Räume für Erlebnisse und Events bieten“, sagt Christian Kluge. „Ideal wäre hinsichtlich der Blühflächen eine künftige Vernetzung mit Gartenbetreibern oder Leuten, die gleichfalls etwas für den Naturschutz tun wollen, wie zum Beispiel im öffentlichen Grün“, sagt Eckhart Hoehne. Ein solches abgestimmtes Vorgehen würde der weiteren Bebauung und Versiegelung von Flächen in der Stadt etwas entgegensetzen.
Wissen fördern
Der Verein „Mensch, Natur, Landwirtschaft“, der auf die Initiative von Landwirten zurückgeht, möchte das Wissen über die Landwirtschaft fördern und vor allem Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, sie auch direkt zu erleben. Die Artenvielfalt in der Stadt zu vergrößern, ist ein weiteres wichtiges Ziel. Insgesamt soll durch die Arbeit des Vereins die Wertschätzung der Landwirtschaft in der Bevölkerung erhöht werden. Der Verein möchte die breite Bevölkerung ins Boot holen, indem gemeinsam mit ihr Umweltschutzprojekte initiiert werden. Wissensdatenbanken und Informationskampagnen stehen ebenso auf dem Programm wie die Kooperation mit Institutionen, Unternehmen und bekannten Persönlichkeiten. So hätten zum Beispiel die Stahlwerke Bremen bereits Blühflächen auf ihrem Gelände zur Verfügung gestellt, sagt Christian Kluge.
Der Verein kümmert sich jedoch nicht nur um Insektenvielfalt, die in den vergangenen Jahrzehnten stark rückläufig ist, sondern auch um größere Tiere: „Ein Projekt, das bei uns besonders gut ankommt, ist die Suche von Rehkitzen, bevor die Wiesen und Weiden gemäht werden“, erklärt Kluge. „Damit können wir viele Tiere vor den Maschinen retten und setzen dazu auch Drohnen ein. Wir haben bereits mehr als 300 freiwillige Helfer in unserer Datenbank.“