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Einsatzleiter Daniel Heinke über Auto-Poser "Viele Autos dürfen legal sehr laut sein"

Der Sielwall wurde gesperrt, um Autoposern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Daniel Heinke, Einsatzleiter der Polizei, erklärt, warum es gar nicht so einfach ist, sie aus dem Verkehr zu ziehen.
20.07.2021, 16:30 Uhr
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Von Nina Willborn

Der Sielwall ist seit Ende Juni nachts an den Wochenenden für den normalen Durchfahrtsverkehr gesperrt. Wie wirkt sich die Maßnahme aus Ihrer Sicht aus?

Daniel Heinke: Am vorvergangenen Wochenende haben wir rund 1300 Fahrzeuge am Freitag und rund 1500 am Sonnabend an den Kontrollpunkten abgewiesen. Jetzt scheint sich aber herumgesprochen zu haben, dass die Kreuzung wirklich gesperrt ist. Unsere Kräfte vor Ort haben von einem deutlich geringeren Verkehrsaufkommen gesprochen. Das scheint also zu funktionieren. Zusätzlich haben wir im Umfeld den Verkehr überwacht und Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt.

Mit welchem Ergebnis?

In bestimmten Bereichen, insbesondere am Sielwall, ist oft von Rasern die Rede. Wir nehmen sie dort aber nicht wahr. Die Geschwindigkeitsverstöße in den Bereichen Vor dem Steintor, Ostertorsteinweg und Am Dobben sind sehr gering. Auch am Osterdeich, wo sich viele 30er- und 50er-Zonen abwechseln, liegen die Übertretungen typischerweise zwischen zehn und 20 Stundenkilometern. Autofahrer, die mit 100 Stundenkilometern unterwegs sind, sind zum Glück eine Seltenheit.

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Woher kommt dann der Eindruck von den Rasern im Viertel?

Wenn ein Auto vergleichsweise langsam fährt und dann mit häufig bewusst aufheulendem Motor beschleunigt, entsteht subjektiv das Gefühl, da rase jemand. Auch wenn er nur bis Tempo 30 oder 35 beschleunigt. In der öffentlichen Diskussion werden die Themen Raser und Poser oft vermengt. Sie haben aber in Bremen fast nichts miteinander zu tun. Die Menschen, die wir als Poser bezeichnen, sind für viele belästigend. Sie stellen aber im eigenen Sinne keine Gefahr dar, weil sie sich in den allermeisten Fällen legal verhalten.

Das heißt, man muss die Autoposer aushalten?

Sehr viele Autos dürfen legal sehr laut sein, und das ist gerade in Großstädten ein Problem. Die Grenzwerte für Auspuffanlagen und Motoren sind vergleichsweise hoch. Das führt zu Diskrepanzen in der Erwartungshaltung der Bevölkerung und dem, was wir tatsächlich tun können. Es wäre sehr viel einfacher, wenn der Gesetzgeber strengere Lautstärkebegrenzungen für Pkw anordnen würde.

Weichen die Autoposer jetzt an andere Orte in der Stadt aus?

Wir bekommen immer wieder Meldungen aus der Bevölkerung, die uns über das ganze Stadtgebiet verteilt einzelne Brennpunkte melden. Ohne das kleinreden zu wollen, aber das sind häufig auch subjektive Empfindungen. Wir reagieren aber natürlich auf entsprechende Hinweise und Mitteilungen von den Bremerinnen und Bremern, prüfen sie und nehmen immer wieder neue Örtlichkeiten in die Überwachung auf. Im Moment ist die Szene auch wieder an der Brillkreuzung, auch wegen der Nähe zur Schlachte. Wir beobachten, wo sie sonst noch Alternativen zur Sielwallkreuzung sucht.

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Ist "Unnützes Hin- und Herfahren" als Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung eine Möglichkeit, Autoposer zu stoppen?

Die Nachweise für so etwas wie "Unnützes Hin- und Herfahren" sind leider schwierig zu führen. Da sagt ein Anwohner, dass jemand zum dritten Mal vorbeifährt. Wenn den aber meine Kolleginnen und Kollegen anhalten, könnte er erklären, dass er einen Parkplatz sucht. Wir müssen versuchen, individuelles Fehlverhalten nachzuweisen. Das bedeutet einen hohen Kräfteeinsatz. Wenn wir beispielsweise Vor dem Steintor den Verdacht auf Posing haben, muss sich da ein Polizeibeamter die ganze Zeit hinsetzen, aus Beweissicherungsgründen sogar zwei. Sie dürfen aus Rechtsgründen vorbeifahrende Autos technisch aber nicht aufzeichnen. Wenn sie dann ein Auto das zweite oder dritte Mal sehen, hätte man den Anfangsverdacht der Ordnungswidrigkeit "Unnützes Hin-und Herfahren", die aber mit bis zu 25 Euro sehr niedrig sanktioniert ist. Wir machen immer wieder Schwerpunktmaßnahmen, auch, um Zeichen zu setzen. Aber es ist bei unserer aktuellen Personalsituation nur schwer zu rechtfertigen, für einen gering sanktionierten Verstoß besonders viel Personal einzusetzen.

Würden höhere Sanktionen, die ja im neuen Bußgeldkatalog vorgesehen sind, etwas bringen?

Er enthält verschiedene Verschärfungen, die wir sehr begrüßen. Höhere Sanktionen bedeuten für uns immer noch denselben Aufwand, aber die abschreckende Wirkung wäre größer. Aber grundsätzlich gibt es auch im neuen Bußgeldkatalog keine wirklich wirksamen Instrumente gegen das belästigende Posen. Wir versuchen auch, durch aufklärende Gespräche auf diese Autofahrer einzuwirken, oder durch Fahrzeugkontrollen zu schauen, ob sich Hinweise auf Manipulationen in einem Fahrzeug ergeben. Häufig ist es dann so, dass ein festgestellter Verstoß auch zugegeben wird. Dann haben wir aber keinen Grund, das Fahrzeug sicherzustellen, der Fahrer bekommt eine Mängelkarte und im Nachgang ein Bußgeld von der Zulassungsbehörde.

Fahrverbote dagegen sind mehr ein Thema bei den Rasern?

Die Raser sind klassischerweise eher in der Überseestadt, weil es dort sehr gerade Straßen und wenig kreuzenden Verkehr gibt. Natürlich kontrollieren und messen wir da, mal in Uniform und mal in zivil. Und die Sanktionen sind dann auch spürbar. In den vergangenen vier Wochen hatten wir einen traurigen Spitzenreiter mit 128 Stundenkilometern im Innenstadtbereich, insgesamt acht Fälle, in denen aufgrund unserer Messungen ein Fahrverbot angeordnet wurde – leider nur ein Fahrverbot. Der so häufig geforderte Führerscheinentzug ist an hohe Hürden gebunden, „nur“ eine Geschwindigkeitsübertretung reicht nicht aus. Anders sieht es bei einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen aus. Hier haben wir in der Vergangenheit immer wieder Autos und Führerscheine der Raser sichergestellt.

Gibt es neben der Kontrollgruppe "Raser und Poser" weitere Einheiten, die sich speziell um Problemfelder im Verkehr kümmern?

Verkehrssicherheitsarbeit ist ein strategischer Schwerpunkt der Polizei Bremen. Wir bearbeiten das Thema durch einen Mix von Alltagswahrnehmung über Schwerpunktmaßnahmen bis hin zu spezialisierten Kräften der Verkehrsüberwachung und der Kontrollgruppe Raser und Poser, wo wir dann auch die Spezialisten haben, die manipulierte Fahrzeuge erkennen.

Das Gespräch führte Nina Willborn.

Zur Person

Daniel Heinke (47)

leitet seit März 2020 die Direktion Einsatz der Polizei Bremen. Zuvor war er Chef der Kriminalpolizei. Vor seiner Zeit bei der Bremer Polizei arbeitete er in verschiedenen Stationen im Innenressort und zwischen 2003 und 2008 als Staatsanwalt in Bremen.

Zur Sache

150 Kontrollen

Die Kontrollgruppe "Raser und Poser" ist laut der Pressestelle der Polizei im Durchschnitt zwei bis drei Mal pro Woche unterwegs, hinzu kommen Schwerpunkt-Einsätze. In den vergangenen Wochen seien bei rund 150 Kontrollen diverse Verstöße wie technische Manipulationen an den Fahrzeugen, Telefonieren am Steuer oder Fahren ohne Fahrerlaubnis geahndet worden, sagte eine Sprecherin. "Sieben Personen wurde sofort die Weiterfahrt untersagt, außerdem etwa 90 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen und vier Strafanzeigen gefertigt."

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