Schwangerschaft und Geburt sind eine bedeutende Zeit insbesondere für die werdenden Mütter: Die Freude auf das Kind wird sehr häufig auch von Unsicherheit begleitet. "Schwangere haben viele Fragen vor der Geburt, vor allem auch dann, wenn es die erste Schwangerschaft ist. Aber auch Erfahrungen aus vorherigen Schwangerschaften sowie Gespräche mit anderen Müttern können zu Verunsicherung und Ängsten führen – ganz grundsätzlich auch, was den Ablauf der Geburt betrifft", sagt die Gesundheitswissenschaftlerin Sonia Lippke von der Jacobs University Bremen. Während der Corona-Pandemie mit den Kontakteinschränkungen sei der so wichtige Austausch zwischen den Beteiligten noch einmal schwieriger geworden, indem etwa Begleitpersonen nicht oder nur eingeschränkt dabei sein durften.
Lippke hat sich in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Kommunikation in der Geburtshilfe beschäftigt und untersucht, wie digitale Kommunikationstrainings eine Unterstützung sein können. Ein Ergebnis der Arbeit, die im International Journal of Environmental Research und Public Health veröffentlicht wurde: Trainings sollten wiederholt und für alle angeboten werden, also auch für Hebammenschülerinnen, Studierende, Geburtspflegerinnen und -pfleger, Pflegekräfte, für das medizinische Personal genauso wie für Schwangere, Gebärende und ihre Partner, wie es in einer Mitteilung dazu heißt. Praktisches Ergebnis ist die Team-Baby-App.
Den Forscherinnen und Forschern geht es um Kommunikation in der Geburtshilfe im Allgemeinen – insbesondere aber auch, um sogenannte unerwünschte Ereignisse zu vermeiden. Diese lägen vor, wenn eine Patientin aufgrund einer Behandlung nicht optimal versorgt werde und im schlimmsten Fall einen Schaden erleide. "Häufig ist eine unzureichende Kommunikation zwischen den Beteiligten die Ursache. In der Frauenheilkunde bedeutet das: Schwerwiegende Probleme könnten in fast drei von vier Fällen vermieden werden, wenn alle Beteiligten besser miteinander kommunizieren würden", so Lippke. Das hätten Untersuchungen gezeigt.
Bei der Geburt könne es aus unterschiedlichen Gründen hektischer zugehen. Eine klare Sprache sei notwendig, um die maximale Sicherheit für Mutter und Kind zu gewährleisten, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Eine möglichst enge Betreuung zwischen Hebammen und Gebärenden etwa sei elementar. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung sei derzeit aber nur in einem von sechs Fällen möglich. Bundesweit gibt es einen Mangel an Hebammen.
Die kostenfreie App ist Teil eines Forschungsprojekts der Jacobs University mit den Unikliniken Ulm und Frankfurt, der Techniker Krankenkasse und dem Aktionsbündnis Patientensicherheit. Franziska Keller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Jacobs University: "Die Team-Baby-App kann sehr gut in den Alltag integriert werden. Im Prinzip kann sie ab dem Moment genutzt werden, wenn sich die Frauen immer konkreter mit der Geburt beschäftigen, ab dem vierten Monat zum Beispiel." Die Inhalte seien von Kommunikationstrainern aus der Geburtshilfe, Ärztinnen und Ärzten sowie Psychologinnen und Psychologen entwickelt worden.
Bevor es mit den konkreten Übungen losgeht, werden Nutzerinnen und Nutzer gebeten, einige Fragen zu beantworten. Die Daten unterliegen laut der Forschungsgruppe dem Datenschutz und seien anonymisiert. Das Training selbst besteht laut Keller aus "mehreren Übungseinheiten mit verschiedenen Fokussierungen auf Kommunikationsbereiche".
"Die App kann eine Ergänzung sein", sagt Heike Schiffling, Vorsitzende des Bremer Hebammenverbands. "Kommunikation und Informationen sind elementar für eine vertrauensvolle und sichere Geburt. Zeit und Personal sind dabei wichtige Faktoren." Bei den werdenden Eltern gebe es Unterschiede, was den Informationsbedarf und den Kenntnisstand betreffe. "Es ist wichtig, dass sich das Fachpersonal dessen bewusst ist." Ganz konkret gelte dies auch für die Abläufe während der Geburt: "Wenn etwa die Entscheidung für einen Kaiserschnitt fällt und es zügig im Sinne einer Effizienz geht, kann das von den Frauen als Notfall verstanden werden. Das muss aufgefangen und aufgeklärt werden", so Schiffling. Im idealen Fall würden solche Situationen in der Vorbereitung auf die Geburt besprochen.