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Bremer Freimarkt vor dem Start Hinter den Kulissen des Bremer Freimarkts: Bauingenieure im Einsatz

Hinter den Kulissen des Freimarkts: Mario Lymann und Lars Lehmann prüfen als Bauingenieure, ob die Fahrgeschäfte vorschriftsmäßig aufgebaut sind. Bis kurz vor Eröffnung sind sie dafür unterwegs.
17.10.2024, 05:00 Uhr
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Hinter den Kulissen des Bremer Freimarkts: Bauingenieure im Einsatz
Von Timo Thalmann

Zum Auftakt gehen sie immer einmal um jedes Fahrgeschäft herum. Der Blick hinter die bunte Fassade des Freimarkts ist das Kerngeschäft von Mario Lymann und Lars Lehmann. Schon seit Anfang dieser Woche sind die beiden Bauingenieure auf der Bürgerweide unterwegs. Alles, was sich auf dem Freimarkt höher als fünf Meter in die Luft schraubt, muss von ihnen inspiziert werden. Bauabnahme heißt das und von der städtischen Bauaufsicht kommen sie auch, Abteilung fliegende Bauten. "Das ist im Grunde die normale Bauabnahme, wie sie auch bei jedem festen Neubau vorgenommen wird", sagt Lymann. Damit sind die beiden geschätzte 85 Prozent ihrer Zeit befasst, aber der Rest ihres Wirkens vollzieht sich auf Freimarkt, Osterwiese und Weihnachtsmarkt. Eine durchaus willkommene Abwechslung.

Nicht verwechseln darf man ihre Arbeit mit den Prüfungen der Fahrgeschäfte durch den Tüv. Das ist die umfassende technische Begutachtung, unter anderem ob bauseitig alle Normen und Vorschriften erfüllt sind. Vereinfacht gesagt, guckt der Tüv nach, ob die vorgesehenen Schrauben ausreichen und noch stabil genug sind. Die Baubehörde prüft hingegen, ob alle vorgesehenen Schrauben auch tatsächlich an ihrem Platz sind, der Betreiber sein Geschäft also ordnungsgemäß aufgebaut hat.

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"Hier zum Beispiel das Lenkrad", sagt Lymann und ruckelt am Fahrzeug eines Kinderkarussells herum. Das Lenkrad schlackert in alle Richtungen. "Das ist zu locker, da könnten sich Kinderhände einklemmen." Für den Tüv sei das bei der Prüfung kein Thema, für die Baubehörde schon. Für Schausteller Lars Langenscheidt wiederum nicht. "Die Schraube ziehen wir sofort nach", versichert der Betreiber der "Highway Rallye". Verletzte Fahrgäste will er auf keinen Fall. "Die Besucher sind ja des Schaustellers höchstes Gut", kommentiert er. Sein Fahrgeschäft geht über ein einfaches Kinderkarussell hinaus. Statt nur im Kreis folgen die Fahrzeuge hier über zwei Etagen einer Doppel-Acht. Seit 1986 eine spektakuläre Sache für Besucher schätzungsweise ab vier und bis zehn Jahren.

Lymann lässt sich das sogenannte Baubuch geben. Wenn ein Karussell ein Auto wäre, ist das Baubuch der Fahrzeugschein, die amtliche Zulassung. Im Baubuch stehen alle technischen Spezifikationen des Herstellers drin, hier ist jede Veränderung einzutragen und vom Tüv genehmigen zu lassen. Jede zertifizierte Schweißnaht ist verzeichnet, hier gucken die Bauprüfer, welche Vorgaben beim Aufbau zu beachten sind. Hier stempelt der Tüv sein okay und auch die Bauprüfer dokumentieren hier ihre Nutzungserlaubnis für die Dauer der jeweiligen Kirmes, denn geprüft wird überall nach jedem Aufbau. "Ohne gültiges Baubuch kann ich das Karussell auch gleich verschrotten", beschreibt Langenscheidt die Bedeutung der umfangreichen Mappe.

Die kann auch zu mehrbändigen Telefonbüchern anwachsen, wenn das Fahrgeschäft größer wird. Das ist etwa beim "Hotel Edelweiss" der Fall, kein Fahr- sondern ein Laufgeschäft, also ein großer Hindernisparcours mit diversen lustigen Schikanen und im konkreten Fall sogar mit einigen Showeinlagen, wie ein scheinbar abstürzender Aufzug. "Das war ja mal eine Art Geisterbahn", sagt Betreiber René Rasch. Lief aber nicht so gut. "War wohl zu dunkel und keiner wusste, was ihn erwartet." Als "Hotel Edelweiss" ist es seit 2020 auf lustig und familienkompatibel getrimmt, ohne drehende Tonne oder übertriebene Schreckmomente. Funktioniert viel besser.

Vor dem Blick ins Baubuch testen Lymann und Lehmann den Parcours aus. Ihr Interesse gilt allerdings nicht den Attraktionen, sondern in erster Linie den Verbindungsbolzen der beweglichen Teile. Jeder einzelne muss mit einem Splint oder Federstecker gesichert sein. Und bei Hunderten Bolzen findet sich immer einer, wo die Sicherung noch fehlt.

Es gibt Modelle, da genügt mir die Sichtprüfung.
Lars Lehmann

Kritischer Blick auch unter das Fahrgeschäft. Die für den Höhenausgleich auf den Laien etwas abenteuerlich anmutenden Holzkonstruktionen, auf denen das ganze Fahrgeschäft ruht, schrecken die Prüfer nicht. "Das ist okay, da passiert nichts bei dem hohen aufliegenden Gewicht", sagt Lehmann. Aber im Baubuch ist zum Beispiel genau vorgeschrieben, wo das Holz auf Metallstreben treffen muss, damit die Unterkonstruktion nicht nachgibt. Das will kontrolliert sein.

Gehen die Freimarktprüfer eigentlich privat noch auf den Freimarkt, wo sie doch alles schon vorab gesehen und getestet haben? "Mit drei Kindern kommen sie da nicht drumrum", sagt Lymann lakonisch. Und sein Kollege beteuert, dass er längst nicht jedes Fahrgeschäft austestet. "Es gibt Modelle, da genügt mir die Sichtprüfung." Ob er sich den Spaß aufheben will oder die Fahrt einfach scheut, lässt er dabei allerdings offen.

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Bis kurz vor Eröffnung sind die Prüfer der Baubehörde unterwegs, natürlich auch auf dem kleinen Freimarkt. Nur am Rande sind der Brandschutz und die Notfall-Evakuierung der Fahrgeschäfte ihr Thema. "Ausschließlich mit Blick darauf gehen vor dem Start noch einige Kollegen gemeinsam mit der Feuerwehr über den Freimarkt", erklärt Lymann. Nach dem Brand in einer Geisterbahn auf dem Gallimarkt in Leer mit elf Verletzten vor wenigen Tagen dürften die Fachleute noch einmal ganz genau hinschauen.

Zur Sache

Bremer Fußball-Profis auf dem Freimarkt
Die Verbindung zwischen dem SV Werder und dem Bremer Freimarkt hat eine große Tradition. Immer wieder war der Verein mit seinen Profis in einem der Zelte zu Gast, regelmäßig statten auch heute noch grün-weiße Legenden in kleinen Grüppchen der Bürgerweide einen Besuch ab, um zu schnacken und zu feiern. Der einstige Stürmer-Star Ailton fungierte vor zwei Jahren sogar als erster offizieller Botschafter für den Freimarkt. Und in diesem Jahr? Ist das Bundesligateam auch vor Ort. So werden sich Trainer Ole Werner und seine Mannschaft nach Informationen der Deichstube am kommenden Mittwoch, 23. Oktober zwischen Karussells und Snackbuden tummeln sowie im Hanse-Zelt das zünftige Feiern kurzfristig gegen den Fußball-Alltag eintauschen.

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