In Teilen der Bremer Gastronomie herrscht nach dem Tarifabschluss für das örtliche Gastgewerbe Frust. Die gut 400 Wirte, die in der Bremer Gastro-Gemeinschaft (BGG) zusammengeschlossen sind, sehen Nachbesserungsbedarf an dem Zahlenwerk, das der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) kürzlich ausgehandelt haben. Sie appellieren an Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), den Abschluss nicht für allgemeinverbindlich zu erklären. Eine solche Erklärung würde bedeuten, dass sich auch die nicht in der Dehoga organisierten Betriebe an den Abschluss halten müssen.
Wie berichtet, hatten sich die Tarifparteien vor anderthalb Wochen unter anderem auf eine Lohnuntergrenze von 12,30 Euro pro Stunde verständigt. Sie gilt für ungelernte Mitarbeiter in gering qualifizierten Jobs, also etwa für Spülkräfte. Für andere Tätigkeiten beinhaltet die neue Gehaltsstaffel teils deutlich höhere Vergütungen.
Bei den Tarifverhandlungen zwischen Dehoga und NGG war die BGG außen vor, sehr zur Enttäuschung von Geschäftsführer Thorsten Lieder und seinen Mitstreitern. Man habe im Vorfeld der Verhandlungen vorgeschlagen, einen Arbeitgeber-Spitzenverband für das Gastro-Gewerbe ins Leben zu rufen. Ihm hätten dann neben der Dehoga auch die BGG und der Verein der Schausteller und Marktkaufleute angehört. Die BGG habe eigens ihre Satzung geändert, um als Tarifvertragspartei auftreten zu können, "doch die Dehoga hat abgewinkt", sagt Lieder. Das jetzt auf dem Tisch liegende Verhandlungsergebnis ist aus seiner Sicht zu undifferenziert, weil es nicht ausreichend auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Groß- und Kleinbetrieben eingehe und auch in der Systematik Mängel aufweise, etwa bei der Zuordnung von Tätigkeiten zu Lohngruppen. Der Wirtschaftsbehörde könne man deshalb nur raten, von einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung abzusehen.
NGG überrascht: Bremer Gastro-Gemeinschaft habe kein Angebot angenommen
Bei Dehoga und NGG hat dieser Vorstoß ungläubiges Staunen ausgelöst. Die BGG habe ihr Interesse an einer Mitwirkung erst bekundet, als die Tarifverhandlungen bereits im Gang waren, sagt Gewerkschaftsvertreterin Iris Münkel. Der Bremer Gastro-Gemeinschaft seien Möglichkeiten einer Beteiligung aufgezeigt worden. "Die BGG hat keines der Angebote angenommen und beschwert sich jetzt, dass sie nicht dabei war", wundert sich Münkel. Auch Dehoga-Vorsitzender Detlef Pauls und Geschäftsführerin Nathalie Rübsteck sehen den Sachverhalt durch die BGG falsch dargestellt. Der Gastro-Gemeinschaft sei unter anderem eine Mitwirkung an den Tarifverhandlungen durch Dehoga/BGG-Doppelmitglieder, von denen es eine ganze Reihe gebe, vorgeschlagen worden – ohne entsprechendes Echo. Die Kritik der BGG, das neue Tarifwerk orientiere sich vor allem an den Interessen von Gastro-Ketten und -Großbetrieben, halte einer sachlichen Überprüfung nicht stand. Rübsteck kündigte an, die Tarifparteien würden in Kürze bei Wirtschaftssenatorin Vogt einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit des Abschlusses stellen.
Im Hause Vogt ist man geneigt, diesem Wunsch zu entsprechen, wie die Senatorin dem WESER-KURIER sagte. "Wir haben ein großes Interesse an guten Löhnen und Arbeitsbedingungen", so Vogt. Es sei gut, dass es nun ein neues Verhandlungsergebnis gebe. Vogt kündigte an: "Wir wollen auch diesen Tarifabschluss wieder für allgemeinverbindlich erklären, denn Bremen ist das einzige Bundesland, das einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für den Hotel- und Gaststättenbereich hat." Er decke das gesamte Spektrum von Diskotheken über Hotel und Gastwirtschaften bis zum kleinen Imbiss ab. Vogt hofft, dass die BGG auf rechtliche Schritte verzichtet. Eine Klage gegen die Allgemeinverbindlichkeit "würden wir aufgrund der großen Bedeutung für die Beschäftigten sehr bedauern", mahnt die Senatorin.