Die Häfen in Bremen und Bremerhaven haben in diesem Jahr insgesamt 7328 Handelsschiffe angelaufen. Wird diese Zahl auch im nächsten Jahr erreicht und ebenso viele Güter umgeschlagen – es waren 74 Millionen Tonnen – dann wird die Hafenwirtschaft sicherlich zufrieden sein. Gegen mehr Tonnen und Schiffe wird sie natürlich auch nichts haben. Genügend Kapazitäten sind dafür vorhanden. Doch davon ist derzeit nicht auszugehen. So steht bereits seit Längerem fest, dass zum jetzigen Zeitpunkt etwa 500 000 Standardcontainer (TEU) weniger über die bremischen Kaikanten umgeschlagen werden.
Ob der Abzug der vier von fünf Hapag-Lloyd-Transatlantikdiensten kompensiert werden kann, das wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Künftig werden die 500 000 TEU die Bilanz des Hamburger Hafens aufpolieren, weil sie im nächsten Jahr am nicht ausgelasteten Terminal Altenwerder umgeschlagen werden, an dem Hapag-Lloyd mit 25,1 Prozent beteiligt ist.
Ob Reedereien Bremerhaven neu in ihren Fahrplan aufnehmen oder bereits dort vertretene Reedereien ihr Engagement in der Seestadt ausweiten, darüber kann zu diesem Zeitpunkt nur spekuliert werden. Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender der BLG Logistics Group, die ihr Containergeschäft über die Tochter Eurogate abwickelt, will auf jeden Fall dafür kämpfen, dass Teilladungen der abziehenden Dienste trotzdem weiterhin über Bremerhaven verladen werden. Ebenso möchte Dreeke den Rückgang über andere Reedereien auffangen. Wobei der BLG-Vorstandschef einräumt, dass sich so etwas bei Erfolg auch erst im übernächsten Jahr auswirken könne.
Maersk hat Bremerhaven zu einem von acht Hauptumschlagbasen erklärt
Dass Bremerhaven auf jeden Fall eine bedeutende Rolle bei Reedereien einnimmt, das wird auch deutlich an der weltweit größten Reederei: Maersk habe die Seestadt zu einem von acht weltweiten Hauptumschlagsbasen erklärt, die für das dänische Unternehmen von hoher Relevanz seien, so Dreeke. Grundsätzlich beschrieb er den Reedereimarkt als sehr konzentriert, was nicht unbedingt zum Vorteil für die Häfen sei.
Vor ein paar Jahren habe es weit mehr als 20 Reedereien gegeben, mit den verhandelt werden konnte, heute gebe es mit „The Alliance“, „Ocean Alliance“ und „2M“ nur noch drei Allianzen im Container-Liniendienst, die sich aus Übernahmen und Zusammenschlüssen gebildet haben. Laut dem Branchendienst Alphaliner machen diese drei Allianzen zusammen etwa 80 Prozent des weltweiten Containermarktes aus.
Welche Routen diese Allianzen verstärken oder neu aufnehmen, das wurde im Verlauf der vergangenen fast zwei Jahre häufig sehr plötzlich mitgeteilt. Die Riesen machen den Eindruck, als ob sie sich innerhalb ihrer Strukturen noch nicht ganz sortiert haben. Davon könnte Bremerhaven durchaus profitieren.
Rotterdam und Antwerpen droht Bremerhaven weiter abzuhängen
Es bleibt spannend, ob sich die Seestadt als viertgrößter europäischer Hafen im nächsten Jahr weiter von Rotterdam und Antwerpen – der Nummer eins und zwei in Europa – abhängen lässt: Der niederländische und der belgische Hafen hatten in den vergangenen vier Jahren durchgehend Umschlagszuwächse: Rotterdam verbuchte zwischen 2014 und 2017 ein Wachstum von 12,3 auf 13,7 Millionen TEU. In Antwerpen ging es von neun auf 10,5 Millionen TEU.
In Bremerhaven gab es 2012 einen historischen Rekordumschlag von 6,1 Millionen TEU. Seitdem gibt es einen Abwärtstrend: 2017 waren es 5,5 Millionen TEU, in diesem Jahr liegt der Umschlag auf ähnlichem Niveau. Wobei sich das im Vergleich zum Hamburger Hafen – der Nummer drei in Europa – vom Trend her besser sehen lassen kann: In Hamburg erreichte der Containerumschlag 2014 mit 9,7 Millionen Standardcontainern (TEU) seinen bisherigen Höhepunkt. 2017 lag der Umschlag in Hamburg bei 8,8 Millionen TEU. Und in den ersten neun Monaten dieses Jahres verringerte sich der Gesamtumschlag des Hafens gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 2,4 Prozent auf 6,6 Millionen TEU.
Aber nicht nur Rotterdam und Antwerpen setzen sich von den beiden größten deutschen Häfen ab, auch andere Häfen holen auf: So hat neben der 2M-Allianz derzeit auch die Ocean Alliance Danzig in die Fernost-Europa-Fahrpläne aufgenommen, wodurch für deutsche Terminals bis zu vier Anläufe entfallen. Ein Wettbewerbsnachteil, den deutsche Häfen gegenüber ihren ausländischen Mitbewerbern haben, könnte im nächsten Jahr behoben sein: So haben die Finanzminister der 16 Bundesländer Ende November einstimmig beschlossen, das Erhebungsverfahren zur Einfuhrumsatzsteuer zu verändern.
Standortnachteile müssen beseitigt werden
Im Rahmen der Finanzministerkonferenz stellten sie fest, dass Unternehmen durch das in Deutschland angewandte Erhebungsverfahren für die Einfuhrumsatzsteuer gegenüber anderen Staaten benachteiligt werden. Es bestehe Handlungsbedarf, um Standortnachteile zu beseitigen. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe ist froh über diesen Beschluss, er fordert schon seit Jahren eine Angleichung.
Denn bislang ist es so, dass der Importeur für die Ware, die über deutsche Häfen oder auch Flughäfen nach Deutschland kommt, die Steuer auslegen muss. Erst Monate später erhält er sie im Zuge der Vorsteueranmeldung zurück. Der Importeur etwa in den Niederlanden verrechnet die Einfuhrumsatzsteuer direkt und kann die Liquidität dadurch anderweitig nutzen. Nach EU-Recht ist beides möglich. Seit 2006 obliegt es den Mitgliedsstaaten, Vereinfachungen beim Erhebungsverfahren zur Einfuhrumsatzsteuer zuzulassen. Nahezu alle Mitgliedsstaaten machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Neben Deutschland schöpfen derzeit lediglich Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien und Zypern die Möglichkeiten der EU-Richtlinie nicht aus.
Die bremischen Häfen zeichnet grundsätzlich ein besonderer Vorteil aus: Die Häfen sind nicht nur auf den Umschlag von Containern spezialisiert, sondern decken auch alles ab, was an Ladung transportiert wird und nicht in Blechboxen passt. So hat etwa der Neustädter Hafen in Europa das größte Terminal für Stück- und Schwergut.
Bremerhaven gehört beim Autoumschlag zu den führenden Logistik-Drehscheiben
Auch Bremerhaven ist im Bereich High-and-Heavy-Ladung gut positioniert: In diesem Jahr liegt der Umschlag von Projektladung bei etwa 1,367 Millionen Tonnen. Damit habe sich die 2017 verkündete höchste Umschlagmenge überhaupt (1,35 Millionen Tonnen) noch einmal leicht gesteigert. Im Neustädter Hafen lag der Umschlag bei 1,35 Millionen Tonnen. Auch beim Autoumschlag gehört Bremerhaven seit Jahren zu den führenden Logistik-Drehscheiben: Mit 2,2 Millionen Fahrzeugen wird der Umschlag 2018 auf Vorjahresniveau liegen.
Wie sich der Güterumschlag insgesamt entwickeln wird, dazu gibt es keine verlässlichen Prognosen: Vieles hängt von der Entwicklung auf den internationalen Märkten ab, insbesondere davon, inwieweit auch neue Krisenherde den Handel bremsen oder regional ganz zum Erliegen bringen. Mit ziemlicher Sicherheit kann allerdings schon jetzt prognostiziert werden, dass Bremerhaven im Bereich Kreuzfahrt erneut auf ein Rekordjahr zusteuert: Im nächsten Jahr werden am Columbus Cruise Center Bremerhaven etwa 120 Schiffsanläufe mit rund 260 000 Passagieren erwartet. In diesem Jahr waren es insgesamt 111 Abfahrten mit 230 000 Passagieren.