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Mobilität in Bremen SPD will Verkehrspläne der Kommission nicht mitmachen

Die Bremer SPD ist nicht mit allem einverstanden, was im Abschlussbericht der Klimaschutz-Kommission steht: Bei der Mobilitätswende will sie die Pkw-Besitzer mitnehmen, möglichst ab Parkplatz.
17.12.2021, 14:00 Uhr
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SPD will Verkehrspläne der Kommission nicht mitmachen
Von Joerg Helge Wagner

Auf 1000 Einwohner kommen im Land Bremen derzeit 437 Pkw – diese Zahl soll nach dem Willen der Enquetekommission zum Klimaschutz bis 2030 auf 300 Fahrzeuge sinken und bis 2038 sogar auf nur noch 150. "Das entbehrt aus Sicht der SPD jeglichem Realismus und jeglicher Plausibilität", heißt es dazu in einem Sondervotum der Bürgerschaftsfraktion, das Bestandteil des Abschlussberichts ist. Die Kommission, an der alle Fraktionen beteiligt sind, hat ihre Beratungsergebnisse an diesem Freitag vorgelegt. Darin heißt es unter anderem, dass auch die Zahl der Parkplätze weiter reduziert werden soll.

Kritik an Schwerpunkten

„Die Mobilitätswende erfordert eine kompromisslose Konzentration auf CO2?Reduzierung – und keine Vermischung mit anderen stadtentwicklungspolitischen Zielen“, betont der SPD-Abgeordnete Carsten Sieling als stellvertretender Vorsitzender der Kommission. Als erstes müsse Abschied genommen werden von der Vorstellung, dass eine autofreie Innenstadt allein der Schlüssel für die Verkehrswende sei.

Vor allem der Antriebswechsel sei entscheidend: "Einschränkungen der Mobilität sind keine tragfähige Antwort auf die Herausforderungen", stellen die Sozialdemokraten klar. Sie fordern stattdessen einen zügigen Ausbau der Ladesäulen für Autos mit E-Motor und dann auch für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. Hier könne man in kommunaler Regie den Abschied vom Verbrennungsmotor und den Umstieg auf E-Mobilität für die Autofahrer erleichtern, heißt es aus der Fraktion. Elektromobilität könne den Pkw-Verkehr bereits bis 2035 weitgehend klimaneutral machen, unabhängig von der Zahl der Autos und der gefahrenen Kilometer.

Druck auf Autobesitzer

Abgelehnt wird hingegen eine Mobilitätswende durch Druck auf die Pkw-Besitzer. Solche "Push-Maßnahmen" – wie ein Bewohnerparkausweis für 365 Euro im Jahr ohne Parkplatzgarantie – würden im Bericht der Enquete "überbewertet". Überhaupt will die SPD das Thema Parkraumbewirtschaftung am liebsten ganz vom Klimaschutz entkoppeln: Vielmehr gehe es um Stadtentwicklungspolitik und darum, "für die Anwohnerinnen die Chance zu vergrößern, einen wohnnahen Parkplatz zu finden".

Die Kommission empfehle hingegen sogar eine jährliche Reduzierung der vorhandenen Parkplätze um drei bis sechs Prozent. "Dabei fallen die ohnehin schon weg, wenn wir mehr Ladesäulen und Carsharing-Plätze einrichten", sagt ein SPD-Mitglied. Sinnvoll sei deshalb der Bau von Quartiersgaragen, die möglichst auch mit Ladesäulen ausgestattet sind. Dagegen würden sich aber die Grünen sträuben.

Aus deren Reihen wiederum verweist man darauf, dass die Wende hin zu komplett erneuerbaren Energien leichter und schneller zu vollziehen sei, wenn man nur die Hälfte des aktuellen Pkw-Bestands auf E-Antriebe umstellen müsse. Hier seien sich die Vertreter von Grünen, CDU, Linken und alle externen Sachverständigen einig.

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Vor allem aber empört die Genossen, wie die Klima-Kommission das Bewohnerparken einführen will: ohne Beteiligung der Beiräte, nur durch einen flächendeckenden Beschluss der Bürgerschaft. Das widerspreche einem Parlamentsbeschluss vom Ende vorigen Jahres, der dies ausdrücklich von der Zustimmung der Beiräte abhängig mache. Folglich lehnt die SPD diese Empfehlung der Kommission ab.

Genauso entschieden spricht man sich gegen "Gedankenspiele" über generelle Straßennutzungsgebühren, eine City-Maut oder weitere örtliche Zufahrtssperren aus – Schritte, die immerhin auch die CDU mittragen würde. Bei den Christdemokraten hält man das SPD-Votum für einen "Paukenschlag", der sich "komplett gegen die Verkehrswende" richte.

"An den Bedürfnissen vorbei"

Die SPD befürchtet jedoch den Widerstand der Betroffenen, wenn der Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) nicht "tatsächlich die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in ihren Quartieren abdecken" könne. Da hat man erhebliche Zweifel, die man mit Zahlen unterfüttert. Die durchschnittliche Fahrstrecke zur Arbeit in der Stadt Bremen betrage 15,3 Kilometer. Schnelligkeit und Komfort des Verkehrsmittels seien hier entscheidend: "Die hohen Quoten der Pkw-Nutzung, die in der Regel die teuerste ist, deuten deshalb darauf hin, dass der Umweltverbund nicht mit dem Auto mithalten kann."

Das gelte vor allem, wenn das Ziel in den Stadtbezirken Ost oder Süd liegt, "wo insbesondere das verarbeitende Gewerbe mit seinen hohen Pendlerquoten angesiedelt ist".  Entsprechend nutzten 72 Prozent der Einpendler nach Bremen das Auto, in Bremerhaven seien es sogar 86 Prozent. "Das Zentrum der Stadt Bremen ist für Pendler bereits gut ohne Pkw zu erreichen, während das in den äußeren Teilen der Stadt nicht der Fall ist", stellt die Fraktion fest. Die von der Kommission angestrebte Reduzierung der Pkw-Fahrten um 50 Prozent sei angesichts dessen "nicht solide darstellbar".

In diesem Zusammenhang erklärt man auch die insbesondere von den Grünen oft bemühten Beispiele Amsterdam und Kopenhagen als untauglich für Bremen. Hier liege nämlich die längste Ausdehnung bei mehr als 40 Kilometern und nicht bei zehn oder 15. Abgesehen davon seien Bremens finanzielle Möglichkeiten erheblich kleiner als jene der beiden Metropolen. Statt aufs Ausland zu schauen, fordern die Sozialdemokraten "eine stärker kooperativ ausgelegte Verkehrspolitik", die gemeinsam mit den Nachbarkreisen Angebote entwickelt.

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