Umweltverbände befinden sich auf Wachstumskurs. Ein gestiegenes Interesse an Naturschutzfragen, dem Klimawandel und Artensterben hat Organisationen aus diesem Bereich viele neue Mitglieder beschert. "Wir schwimmen gerade auf einer Welle, das sehen wir deutlich an den Zahlen", sagt Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) in Bremen. Der Landesverband verzeichnete in diesem Jahr Rekordzahlen. Ein ähnlich hohes Anfrage-Aufkommen registrieren der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und andere Verbände in Bremen und Niedersachsen.
Aktuell besitzt der Nabu Bremen laut eigenen Angaben knapp 8800 zahlende Mitglieder. Davon kamen in diesem Jahr knapp 1800 Anhänger hinzu, was einen absoluten Rekord darstelle. "Wir hatten ein sehr, sehr gutes Jahr", sagt Nabu-Chef Hofmann. Einen solchen Zuwachs habe man zuletzt Ende der 1990er Jahre gehabt. Im Vergleich zu den Eintrittszahlen im Vorjahr bedeutet das ein Wachstum von mehr als 70 Prozent. Das liege aber daran, dass es 2020 keine Werbeaktionen gab, die sonst 500 bis 1000 neue Mitglieder gebracht hätten. 2019 habe es erfolgreiche Maßnahmen gegeben, die aber nicht an die Zahlen von 2021 herankämen, sagt Hofmann.
"Die Menschen trauen uns zu, dass wir Antworten auf die Klimaschutzfragen haben, dass wir Lösungskompetenz besitzen, dass wir den Politikern Beine machen", sagt Hofmann. Das sei es, was die Bürger dem Nabu zurückmeldeten. Die Menschen treibe eine große Sorge um den Klimawandel und die Artenkrise um. Generell verzeichne man in den vergangenen Jahren einen "erfreulichen Zuwachs" von Familien, ergänzt Nabu-Sprecher Florian Scheiba.
"Unsere Mitgliederzahlen wachsen", sagt Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen. Der Landesverband komme derzeit auf circa 8800 Mitglieder mit kontinuierlichen Zunahmen, ohne dass es in den beiden vergangenen Jahren einen markanten Zahlensprung gegeben hätte. "Wir laufen bei unseren Aktionen offene Türen ein", ergänzt Dieter Mazur, Vorsitzender des BUND. Mitgliedsbeiträge sind laut Rode die wichtigste Säule, um die "kritische, umweltpolitische Unabhängigkeit" des BUND zu sichern und unmissverständlich für Klima- und Naturschutz einzutreten. "Und gegebenenfalls können wir im Streitfall auch vor Gericht klagen, wie gegen die Weservertiefung und das Offshore-Terminal in Bremerhaven", so Rode.
Einen Mitglieder-Zulauf registriert auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Bremen. Die Interessenvertretung versteht sich selbst als Klimaschutzverein, der nachhaltige Mobilität fördert. "Wir merken eindeutig eine Steigerung in den vergangenen zweieinhalb Jahren", sagt ADFC-Pressesprecherin Frauke Maack. Laut einer internen Umfrage sei dies vor allem auf ein großes Interesse an Umwelt- und Verkehrspolitik zurückzuführen. Seit Januar hätten sich laut Maack vier Prozent mehr Mitglieder im Vergleich zum Vorjahr angemeldet. Man stehe kurz vor 4000 zahlenden Mitgliedern. Ein Anreiz für eine Bindung an den ADFC sei für viele das Service-Angebot, sagt Maack. Der ADFC bietet unter anderem eine Pannenhilfe, Haftpflichtversicherung oder Ermäßigungen bei Kooperationspartnern wie Cambio, Nextbike oder Deutsche Bahn an.
Bremer Grüne punkten mit Thema Klimaschutz
Ein Wachstumstrend, der sich auch auf die Politik auswirkt. Mit dem Thema Klimaschutz punkteten die Bremer Grünen. Im Jahr 2020 stieg die Zahl um 54 Personen (circa fünf Prozent) auf 1042 Mitglieder, im Jahr 2021 traten bis September bereits 181 neue Mitglieder (circa 17 Prozent) in die Partei ein. "Seit Annalena Baerbock ihre Kanzlerinnenkandidatur bekannt gegeben hat, verzeichneten wir noch mal einen deutlichen Anstieg", sagt Ina Schulze, Pressesprecherin der Grünen. Die Menschen hätten erkannt, dass man die Klimakrise nur gemeinsam bewältigen könne. "Das geht aus Sicht vieler vor allem mit starken Grünen", so Schulze.
Das gestiegene Interesse an Umweltfragen bescherte auch den Naturschutzverbänden in Niedersachsen viele neue Mitglieder. Erst kürzlich hatte dort der Nabu mitgeteilt, dass im Jahr 2021 mehr als 5000 Mitglieder dazugestoßen seien. Der Nabu in Niedersachsen verzeichnet seit 2000 einen kontinuierlichen Anstieg. Im September sei die Schwelle von 125.000 Mitgliedern überschritten worden. Die Beiträge sorgten dafür, dass der Nabu finanziell unabhängig von Politik und Wirtschaft sei, sagte Verbandssprecher Matthias Freter. Bei der Naturschutzjugend (Naju) gründeten sich zahlreiche neue Gruppen wie in Burgdorf-Lehrte-Uetze, Rethem, Großenkneten, Nordenham oder Barsinghausen. Der BUND Niedersachsen verbuchte im Jahr 2020 einen Zuwachs von etwa sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sagte BUND-Sprecherin Tonja Mannstedt. Der Verband zähle derzeit etwa 38.000 Unterstützer und erwarte auch im aktuellen Jahr einen Anstieg.