Der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) könnte im kommenden Jahr ein Defizit einfahren, das alle bisherigen Dimensionen sprengt: rund 100 Millionen Euro. Das geht aus dem Wirtschaftsplan für 2023 hervor, in den der WESER-KURIER Einblick nehmen konnte. Das Zahlenwerk lag vor Kurzem dem Aufsichtsrat des Unternehmens vor, das zu 100 Prozent der Stadt Bremen gehört. Das Gremium hat den Plan der Geschäftsleitung vorerst nur für das erste Quartal beschlossen. Die Geschäftsleitung erhielt den Auftrag, ihn bis Ende März zu aktualisieren und zur Jahresmitte ein komplett überarbeitetes Sanierungskonzept vorzulegen.
Das mögliche 100-Millionen-Defizit speist sich vor allem aus hohen Kostensteigerungen bei Energie und Verbrauchsgütern sowie Einnahmeverlusten durch zurückgehende Fallzahlen. Schon im laufenden Jahr konnten die vier Geno-Häuser in Mitte, Nord, Ost und Links der Weser zahlreiche Behandlungen nicht durchführen, weil es an Fachkräften mangelt und beim vorhandenen Personal ein konstant hoher Krankenstand zu verzeichnen war. Das voraussichtliche Unternehmensergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen wird vor diesem Hintergrund für 2023 voraussichtlich bei minus 70 Millionen Euro liegen. Hinzu kommen vor allem die Abschreibungen auf den Neubau des Klinikums Mitte an der Bismarckstraße. Sie belasten die Bilanz alljährlich mit mehr als 20 Millionen Euro. Zusammen mit weiteren Einzelpositionen ergibt sich unterm Strich das 100-Millionen-Euro-Loch, das die Liquidität der Geno im kommenden Jahr gefährden würde.
Corona-Hilfen sind ausgelaufen
Noch gilt: Es muss nicht ganz so schlimm kommen. In den Pandemie-Jahren hatten Bund und Land die Kliniken mit Geldern aus Sonderfonds über Wasser gehalten. Doch diese Corona-Hilfen liefen zur Jahresmitte aus. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits vor einigen Wochen angekündigt, die Kliniken angesichts von Energiepreiskrise und drastischer Kostensteigerungen mit weiteren acht Milliarden Euro unterstützen zu wollen. Doch was davon bei den Bremer Krankenhäusern und konkret bei der Geno ankommt, ist bisher völlig offen. In der Geno-Chefetage hofft man, dass sich die erwarteten Zuschüsse im Laufe des ersten Quartals konkretisieren und in den Wirtschaftsplan eingebaut werden können. Zudem erwartet Sprecher Rolf Schlüter "wieder einen normalen Wert beim krankheitsbedingten Personalausfall und einen leichten Leistungsanstieg bei den Patientenzahlen".
So oder so wird es aber ein weiteres hartes Jahr für den chronisch defizitären Klinikverbund – und damit auch für den Finanzsenator. Denn die Stadt Bremen als Alleineigentümerin wird einmal mehr durch hohe Millionenzuschüsse eine Zahlungsunfähigkeit der Geno abwenden müssen. Die Defizitabdeckung geht zulasten des städtischen Haushaltes, dessen Volumen bei ungefähr 3,5 Milliarden Euro liegt. In dem Zahlenwerk ist ein so hoher Geno-Verlust, wie er sich jetzt abzeichnet, nicht eingepreist. Das Geld wird an anderer Stelle fehlen.