Wer Hartz IV bekommt, dem dürfen bei Verstößen gegen die Auflagen, etwa wenn er eine als zumutbar eingestufte Arbeit ablehnt, maximal 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden. Kürzungen sollen zudem früher enden, wenn jemand sein Verhalten ändert. Das hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang November entschieden. Die rot-grün-rote Bremer Regierungskoalition unter Führung der SPD hat das Urteil zum Anlass genommen, sich mit dem Thema Hartz IV erneut genauer auseinanderzusetzen. In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag fordern SPD, Grüne und Linke, dass das System von Grundsicherung und Arbeitslosenversicherung auf Bundesebene „grundlegend“ geändert und die Regelsätze für Hartz IV angehoben werden.
Sanktionen sollen abgeschafft werden
„Auf Bundesebene wird es ein neues Gesetzgebungsverfahren geben. Deshalb wollen wir dem Senat Rückenwind geben, dass sich unsere Vertreter auf Bundesebene für deutliche Veränderungen einsetzen", erklärt Birgitt Pfeiffer, Sprecherin der SPD-Fraktion für Soziales und Familie. Zu den Forderungen gehört, dass vor allem die Sanktionen gegen junge Menschen unter 25 Jahren, Alleinerziehende und Familien mit Kindern dauerhaft abgeschafft werden. "Existenzgefährdende Maßnahmen mit Bestrafungscharakter helfen Jugendlichen nicht dabei, sich erfolgreich in Arbeit und Ausbildung zu integrieren, eher im Gegenteil", heißt es in dem Antrag.
Stattdessen solle sich bei der Neugestaltung der Gesetze die grundsätzliche Haltung dahinter ändern. „Wir brauchen ein anderes Instrumentarium als strenge Sanktionen, insbesondere um diejenigen, die wie Alleinerziehende viele Belastungen haben, individueller unterstützen zu können", sagt Pfeiffer. "Die Jobcenter sollten ihre Rolle mehr als ,Kümmerer‘ verstehen. Auf dem Fördern statt dem Fordern muss künftig der Fokus liegen." Viele Mitarbeiter der Jobcenter gingen diesen Weg auch schon, und entschieden im Sinne des einzelnen Betroffenen. "Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass den Menschen Angebote gemacht werden müssen, die ihnen tatsächlich helfen, ihre Existenz selbst zu sichern", schreiben die Vertreter der drei Parteien in ihrem Papier. Die Leistungen des Sozialstaats seien soziale Rechte, die allen zustünden, Arbeitslose somit keine Bittsteller.
Nach dem Karlsruher Urteil setzen derzeit auch die Bremer Jobcenter die Sanktionen aus (wir berichteten). Das soll bis auf Weiteres auch so bleiben, fordern die Politiker. Pfeiffer sagt: "Als rot-grün-rote Koalition plädieren wir dafür, dass die Sanktionen ausgesetzt bleiben, bis es neue Regelungen gibt.“ In Bremen erhielten im Oktober gut 54.000 Erwerbsfähige Hartz IV, allerdings wurde nur einem Bruchteil Geld gestrichen – bis Ende Juli im Schnitt monatlich 1380 Menschen.