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Retter in Notlagen "Da sein, hinschauen"

Damit sich Jugendliche und andere, die zu später Stunde in Bremen unterwegs sind, sicherer fühlen, schlagen sich Freiwillige die Nächte um die Ohren. Sie sind Ansprechpartner und holen in Notlagen Hilfe.
02.05.2023, 05:00 Uhr
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Von Matthias Holthaus

„Damit Jugendliche gut durch die Nacht kommen“, formuliert Gregor Bitter den Sinn seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Nachtwanderer im Bremer Westen. „Da sein, hinschauen – das sagt eigentlich alles.“

Seit 2013 gibt es die Nachtwanderer im Bremer Westen. An ausgewählten Terminen bieten sie sich am Wochenende in Findorff, Walle und Gröpelingen in der Nacht als Ansprechpartner an. Zu erkennen sind sie an roten Westen und Jacken. Sie zeigen sich in Bussen, Bahnen, auf öffentlichen Plätzen und auf den Straßen, um ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens zu vermitteln.

Gregor Bitter ist 67 Jahre alt und seit 2013 dabei: „Ich bin mit Lasse Berger befreundet, der das Nachtwanderer-Konzept aus Schweden mitgebracht und in Bremen-Nord und Huchting etabliert hat“, erzählt er. Das Konzept hat ihn überzeugt: „Anstatt abends vor dem Fernseher zu sitzen, einen Krimi oder eine Wiederholung nach der anderen zu schauen, ist es doch besser, in einer Gruppe durch die Gegend zu laufen und Jugendlichen zu helfen, gut durch die Nacht zu kommen“, findet der Neustädter.

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Horst Ellinghausen fuhr einst mit dem Bus von Bremen-Nord nach Hause: „In Lesum stiegen die Menschen in ihren roten Jacken ein.“ Er kam mit ihnen ins Gespräch und erfuhr, dass die Gruppe Jugendliche begleitet, die in die Disco möchten. Jugendliche zu unterstützen – diese Idee gefiel ihm.  „Das hätte ich mir damals auch gewünscht", sagt der 75-Jährige.

Die Haupttätigkeit der Nachtwanderer bestehe aber nicht darin, mit dem Bus oder der Bahn zu fahren, wobei die Busfahrer recht froh seien, wenn sie zusteigen würden, erläutert Gregor Bitter: „Dann wissen sie, dass es ruhiger im Bus ist.“ Als Nachtwanderer könnten sie während ihrer Tätigkeit kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.

„Wir sind auch kein Ordnungsdienst der BSAG", stellt Gregor Bitter klar. Manche Leute würden die Nachtwanderer mit Kontrolleuren verwechseln. Doch das ist nicht die Aufgabe der momentan sechsköpfigen Gruppe aus dem Bremer Westen.

„Wir gehen nicht aktiv auf die Jugendlichen zu", sagt Claus Rysavy. "Sondern nur dann, wenn es gewünscht wird.“ Bei Bedarf würden Nachtwanderer zuhören und Präsenz zeigen. Erkennen sie ein Hilfebedürfnis, sind sie da. "Und wir holen Hilfe, zum Beispiel die Polizei oder den Krankenwagen.“ Wenn sie angesprochen würden, sei das verpflichtend, fährt der Oslebshauser fort.

Claus Rysavy ist über ein Stadtteilfest dazugekommen: „Die Nachtwanderer hatten dort einen Stand und ich habe mich angesprochen gefühlt, hatte das Gefühl, dort richtig zu sein." Die freiwillige Aufgabe macht dem 67-Jährigen sehr viel Spaß: "Ich bin ein Mensch, der gerne hilft und der nicht wegschaut. Damit identifiziere ich mich und deshalb bin ich dabei geblieben.“

Die Nachtwanderer seien keinesfalls eine Art von Bürgerwehr, betont Claus Rysavy. Und die Gruppe wolle weder die Jugendlichen maßregeln noch missionieren.

Die Frage, ob Kampfsporterfahrung eine Voraussetzung für ein Engagement bei den Nachtwanderern sei, erheitert die Runde ein wenig: „Auf der Freiwilligenbörse wurden wir auch schon gefragt, ob man groß und breitschultrig sein und eine dunkle Stimme haben müsse“, erzählt Claus Rysavy – das alles sei keine Voraussetzung. 

Dem 65 Jahre alten Peter Golz hat gerade das gefallen: „Dass es niederschwellig ist, dass man nur da ist und es ein Angebot darstellt.“ Das komme ihm sehr gelegen, sagt er: „Ich bin vom Naturell her ruhiger.“ Seine ruhige Ausstrahlung würde sich mitunter dann auch auf die Jugendlichen positiv auswirken, berichtet er.

„Wenn ich erzähle, dass wir das ehrenamtlich machen, dann ändert sich die Stimmung", sagt Gregor Bitter. "Eine Art Respekt entsteht, die Spannung löst sich auf. Durch unsere Präsenz beruhigen wir die Lage.“

Mindestens zu dritt seien sie in der Gruppe unterwegs. "Nie weniger und mindestens eine Frau, wenn es möglich ist.“ Aggressivität ihnen gegenüber habe er noch nicht erlebt, fährt er fort. „Vielleicht strahlen wir das auch nicht aus, weil es nicht unsere Art ist.“ Möglicherweise tragen auch die Lehrgänge wie Deeskalationstrainings oder Rhetorikseminare dazu bei, dass die Nachtwanderer diese Ruhe ausstrahlen können.

Tanja Kläser arbeitet im Gesundheitstreffpunkt West im Gebäude der Stadtbibliothek Gröpelingen: „Die Nachtwanderer sind ein Teil unserer Arbeit, sie sind eine Unterarbeitsgruppe des Präventionsrates West.“ Die 49-Jährige läuft ebenfalls regelmäßig bei den Nachtwanderern mit – ehrenamtlich: „Das ist mein Beitrag zu einer besseren Gesellschaft.“

Gerade in Gröpelingen sei das Sicherheitsbedürfnis gestiegen, beobachtet sie. Daher seien Nachtwanderer auch unter dem Aspekt der Prävention zu sehen: „Wenn die Nachtwanderer gesehen werden auf der Straße, kann das verhindern, dass ein Streit entsteht.“ Zudem habe diese Freiwilligenarbeit etwas mit Zivilcourage zu tun, findet sie. „Dass man sagt, ,ich mache etwas, ich habe ein gutes Gefühl und tue etwas für das Sicherheitsgefühl der anderen Leute'."

Info

Steckbrief

Verein/Projekt:

Nachtwanderer im Bremer Westen

Engagementbereich:

An Wochenenden mit anderen Nachtwanderern nachts Präsenz in Bussen, Bahnen und auf öffentlichen Plätzen zeigen. Bei Stresssituationen beruhigen, bei Bedarf Hilfe holen, offen sein für Gespräche mit Jugendlichen.

Zeitaufwand:

Monatliches Treffen am letzten Donnerstag im Monat und Spaziergänge nachts an Freitagen und Sonnabenden

Kontakt:

Tanja Kläser

Telefon: 61 70 79

E-Mail: t.klaeser@gtp-west.de

Internet: https://praeventionsrat-bremen-west.org

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