Uniformierte Beamte, Straßensperren, Drogenspürhunde und Aufnahmen von nervösen Autofahrern bei Konzentrations- und Gleichgewichtsübungen: Drogenkontrollen im Straßenverkehr produzieren Schlagzeilen und liefern Bilder. Der Nachweis von nicht berauschenden Abbauprodukten erweckt allerdings einen verzerrten Eindruck über die tatsächliche Zahl der berauschten Autofahrer.
Großkontrollen, wie zuletzt Ende Mai, legen nahe, dass zwischen sieben und zehn Prozent der kontrollierten Autofahrer Drogen konsumiert haben. Eine Zahl, die hoch erscheinen mag. Hat die Polizei einfach einen guten Riecher oder gibt es noch andere Gründe für die hohen Fallzahlen? Niels Matthiesen, Sprecher der Polizei Bremen, sieht darin vor allem einen Erfolg der Polizeiarbeit. „Wir sind immer von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen und werden bei den Ergebnissen bestätigt.“ Drogenfahrten fallen unter die sogenannten Kontrolldelikte. Je mehr die Polizei kontrolliere, desto höher seien die Zahlen der entdeckten Verstöße, sagt Matthiesen.
Viele positive Vortests
Tetrahydrocannabinol (THC), der berauschende Stoff aus dem Harz der Cannabis-Pflanze, und seine Abbauprodukte sind die am häufigsten nachgewiesenen Substanzen. Nach Angaben des Polizeisprechers trifft dies auf 72 Prozent aller positiven Vortests zu. Und hier scheiden sich die Geister: Die verwendeten Schnelltests bei Verkehrskontrollen reagieren auf die nicht berauschenden Abbauprodukte des Cannabis im Urin. „Schnelltests weisen meist Abbauprodukte nach. Es werden nicht alle akut berauscht gefahren sein“, sagt Björn Schüller, Fachanwalt für Straf- und Betäubungsmittelrecht. Er meint aber auch: „Die Polizei weiß natürlich, wo und wann ihre Spezis fahren und haben einen guten Blick.“
Abbauprodukte können – je nach Häufigkeit des Konsums und Stoffwechsel des Kontrollierten – mehrere Wochen lang nachgewiesen werden. Ein Schnelltest liefert also einen Anfangsverdacht und weist nach, dass jemand in der Vergangenheit gekifft hat, aber nicht, ob er zum Zeitpunkt der Kontrolle berauscht ist. Das wird mit der Blutprobe ermittelt. In der Polizeistatistik dagegen landen alle mit einem positiven Vortest: diejenigen, bei denen im Blut Abbauprodukte, und diejenigen, bei denen später tatsächlich aktives THC nachgewiesen wurde.
Dem Autofahrer droht der Verlust des Führerscheins, wenn sich in der Blutprobe THC und seine nicht berauschenden Abbauprodukte finden lassen. Für das berauschende THC gilt ein Grenzwert von einem Nanogramm pro Milliliter im Blutserum. Es ist umstritten, ab welchen Werten bei THC überhaupt von einer Rauschwirkung gesprochen werden kann. Bei vielen Experten gelten erst Werte ab drei bis fünf Nanogramm als berauschend.

Mit Tests wie diesen überprüft die Polizei, welche Substanzen im Blut nachgewiesen werden können.
Dem Bundesgerichtshof reichte in einem Urteil aus dem vergangenen Jahr allerdings die rein theoretische Möglichkeit einer Wirkung. Deswegen gilt: Wer mit einem Wert von über einen Nanogramm im Straßenverkehr erwischt wird, egal ob berauscht oder nicht, und dazu noch angibt, gelegentlich – mindestens zweimaliges Probieren innerhalb der vergangenen Jahre – Cannabis zu konsumieren, ist seinen Führerschein für mindestens einen Monat los. Möglich ist auch der Komplettverlust des Papiers.
Eine Überprüfung der Fahreignung droht auch beim bloßen Besitz ohne Bezug zum Straßenverkehr. Damit wird Cannabis grundsätzlich anders behandelt als Alkohol, denn Besitz und zurückliegender Alkohol-Konsum, selbst ein schwerer Kater am Steuer, veranlassen im Regelfall kein weiteres Vorgehen der Führerscheinstellen.
Auch zur ungleichen Behandlung von Cannabis und Alkohol hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert und diese begründet: Die Herbeiführung des Rausches stehe beim Alkohol nicht immer im Vordergrund, weil er auch als Lebensmittel und für „religiöse Zwecke“ genutzt werde, beim Cannabis gehe es dagegen nur um den Rausch.
Hohe Kosten für Konsumenten
Der Verkehrsgerichtstag hatte sich zuletzt für einen Grenzwert von drei Nanogramm THC ausgesprochen. Der Vorschlag kam von einem Gremium um den Experten Thomas Daldrup, auf dessen Gutachten hin einst die Grenze von einem Nanogramm eingeführt wurde. Die Verwaltungsgerichte folgen seiner aktuellen Empfehlung bisher allerdings nicht. Insgesamt sei die derzeitige Regelung unfair, meint Björn Schüller. „Sie unterstellt einfach eine Wirkung.“ Eine pragmatische Lösung könne sein, dem Vorschlag des Verkehrsgerichtstag zu folgen. „Dann hätte man zumindest alle raus, die Tage vorher geraucht haben, aber nicht berauscht sind.“ Aber für so eine Regelung sei wohl die Einnahmequelle viel zu hoch.
Auf den Ertappten kommen nämlich in jedem Fall hohe Kosten zu. Ärztliche Gutachter, die Anbieter der Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU) und die Analyselabors müssen bezahlt werden und versprechen mit Vorbereitungskursen zur MPU ein fast sicheres Bestehen. Dabei kommen leicht Kosten von mehreren tausend Euro zusammen, zusätzlich zu der ohnehin fälligen Strafe – in der Regel 500 Euro für das erste Vergehen. Der TÜV-Nord spricht von Kosten von 750 Euro für eine Drogen-MPU.
Die Vorbereitung reiche von einer Führerscheinberatung mit 69 Euro Kosten bis hin zu einem 40-Stunden-Vorbereitungskurs für knapp 1100 Euro. Trotz der Kritik: Verständnis hat Björn Schüller für seine Klienten nicht. „Als Drogenkonsument sollte man sich schon fragen, ob man ganz auf den Führerschein verzichtet und mit dem Fahrrad oder der Bahn fährt.“ Meist sei es aber die Bequemlichkeit, die siege.
Grenzwerte in anderen Ländern Deutschland hat mit einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (enspricht etwa 0,5 Nanogramm im Blut) einen sehr strengen Grenzwert. In Norwegen werden Konzentrationen von mehr als 1,3 Nanogramm THC im Blut wie 0,2 Promille Alkohol geahndet. In weiteren europäischen Ländern gilt eine Grenze von einem Nanogramm im Blut (entspricht zwei Nanogramm im Blutserum).