Tausende Menschen in Deutschland haben sich an ihrem Arbeitsplatz mit dem Coronavirus infiziert. Viele von ihnen leiden auch nach der akuten Erkrankung an Spätfolgen, die je nach Schwere die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen können. Bislang wird Covid-19 insbesondere für Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich als Berufskrankheit anerkannt. Das soll sich nach dem Willen der Bremer SPD-Fraktion ändern: Laut einem geplanten Antrag für die Bürgerschaft soll sich der Senat im Bund für eine Ausweitung auf andere Berufsgruppen einsetzen.
„Wir halten eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen für problematisch. Auch in anderen Bereichen besteht eine erhöhte Infektionsgefahr inklusive Spätfolgen, die die Arbeitsfähigkeit einschränken können“, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jörg Zager, der den Antrag initiiert hat. Derzeit liege der Entwurf zur Abstimmung bei den Fraktionen von Linken und Grünen, betont er.
Bei den Unfallkassen sind bundesweit Tausende Anzeigen zur Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit eingegangen: „Bis Anfang November haben Berufsgenossenschaften und Unfallkassen 21 689 Anzeigen auf eine Berufskrankheit Covid-19 erhalten. Davon sind 12 760 Fälle entschieden, 9604 wurden anerkannt“, sagt Elke Biesel, Sprecherin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dem WESER-KURIER. Wie viele Anträge aus Bremen und Niedersachsen kommen, zeigt die DGUV-Statistik nicht; laut der Sprecherin gibt es keine regionale Aufschlüsselung.
Beratungsstellen rechnen mit einem deutlichen Anstieg von Anträgen: „Im Moment können wir das tatsächliche Ausmaß von gesundheitlichen Spätfolgen durch Covid-19 noch nicht abschätzen, aber aller Voraussicht nach wird bei steigenden Infektionszahlen sicher noch einiges kommen“, sagt Niklas Wellmann von der Beratungsstelle zu Berufskrankheiten der Arbeitnehmerkammer Bremen. Es gingen bereits mehr Anfragen von Personal- und Betriebsräten sowie Beschäftigten aus Kliniken und Pflegeheimen ein, und der Berater ist überzeugt: „Das wird noch mehr, viele Betroffene wissen wahrscheinlich nicht, dass Corona grundsätzlich als Berufskrankheit anerkannt ist.“
Der Infektionsgefahr besonders ausgesetzt
Geregelt ist dies in Anlage BK 3101 der sogenannten Berufskrankheiten-Verordnung für Infektionskrankheiten, zu denen Covid-19 zählt. Sie gilt derzeit insbesondere für versicherte Personen, die „im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren“.
Als Nachweis müssen die Betroffenen unter anderem einen positiven Coronavirus-Nachweis durch einen PCR-Test vorlegen. Bei einer Anerkennung als Berufskrankheit übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für die Heilbehandlung und Reha; bei bleibender Minderung der Erwerbsfähigkeit kann sie eine Rente zahlen.
Für Beschäftigte, die nicht in medizinischen Bereichen tätig sind und sich am Arbeitsplatz infiziert haben – Erzieher etwa, Kassierer, Friseure oder Mitarbeiter in einem Großbetrieb, in dem es einen Corona-Ausbruch gab – können dies als Arbeitsunfall anzeigen. "Die Leistungen im Fall einer Anerkennung als Arbeitsunfall unterscheiden sich zwar nicht, aber es ist mitunter schwieriger, den Nachweis zu liefern“, sagt Berater Wellmann. Laut der DGUV haben die Unfallversicherungsträger bis Anfang November 5068 Anzeigen auf einen Arbeitsunfall bekommen, 678 wurden nach Angaben der Sprecherin bislang anerkannt. Viele Anzeigen seien noch nicht entschieden.
„Es ist erforderlich, das Berufstätigkeitsspektrum der BK 3101 aufgrund von Sars-CoV-2 zu erweitern, um den erhöhten Infektionsrisiken von Beschäftigten unter anderem in Kitas, Supermärkten oder von Lieferdiensten gerecht zu werden“, heißt es in dem Antragsentwurf der SPD-Fraktion. Maßgeblich sei das beruflich bedingt höhere Infektionsrisiko als im allgemeinen Leben – vor allem, wenn Schutzmaßnahmen nicht ausreichten oder nicht beachtet würden.
Auch der Gewerkschaft Verdi gehen die bisherigen Regelungen in der Berufskrankheiten-Verordnung nicht weit genug, sie fordert ebenfalls Nachbesserungen bei der Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit und eine Ausweitung der Beschäftigtengruppe: „Die Berufsgenossenschaften befürchten natürlich eine riesige Welle an Berufskrankheiten“, sagt Jörn Bracker, Verdi-Gewerkschaftssekretär in Bremen. „Covid-19 ist tückisch, aber die Langzeitfolgen betreffen alle gleichermaßen, deshalb müssen die Voraussetzungen für eine Anerkennung entsprechend angepasst werden.“