Nichts ging mehr am Ziegenmarkt in der vergangenen Woche: An einem falsch geparkten Auto kommt die Straßenbahn nicht vorbei. Erst steht eine Bahn vor dem Hindernis, bald sind es laut Leitstelle der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) sechs Straßenbahnen, die sich in Richtung Peterswerder stauen. 30 Minuten habe die Verspätung durch den Vorfall in der vergangenen Woche betragen, die Zahl der betroffenen Passagiere schätzt die BSAG auf rund 1000.
Was geschieht, wenn Straßenbahnen blockiert werden?
„Für Straßenbahnfahrer ist das eine ganz blöde Situation“, sagt Jens-Christian Meyer, Unternehmenssprecher der BSAG. „Erst wird geklingelt, dann die Polizei gerufen. Das macht unsere Leitstelle grundsätzlich. Früher hat man Autos einfach zur Seite gewuppt, das geht heute nicht mehr.“ Polizeisprecher Nils Matthiesen beschreibt, was in solchen Fällen passiert: Stellen die Beamten eine Behinderung fest, versuchen sie den Fahrer zu kontaktieren, alternativ den Kraftfahrzeughalter als Verantwortlichen. Ist niemand zu erreichen, wird geprüft, ob abgeschleppt wird.
Wie häufig passiert so etwas?
Der Stau am Ziegenmarkt war bemerkenswert, aber kein Einzelfall: „Im Zeitraum vom 1. Januar bis Mitte April kam es in der Stadt Bremen zu 143 durch die BSAG an die Leitstelle der Polizei Bremen gemeldeten Verkehrsbehinderungen, bei denen mindestens ein Bus oder eine Straßenbahn durch ein oder mehrere falsch parkende Kraftfahrzeuge blockiert oder zumindest bei der Weiterfahrt erheblich behindert worden sind“, teilt die Polizei mit. Es handele sich zum etwa 20 Fälle pro Monat, eine leichte Steigerung in diesem Jahr. Ralf Gießmann, bei der BSAG für Verkehrsmanagement und Betriebsservice zuständig, hat für die vergangenen zwölf Monate 670 Falschparker-Fälle ermittelt, etwa 55 pro Monat. Darin enthalten sind auch die Parkprobleme, deren Verursacher schneller wieder verschwunden waren, als die Polizei anrückte.
Darf man Straßenbahnen überholen?
Grundsätzlich dürfen Busse und Bahnen überholt werden, sofern kein Überholverbot besteht und andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden, sagt Polizeisprecher Matthiesen. An stehenden Bussen und Bahnen darf links vorbeigefahren werden – Rücksichtnahme und Einhaltung des Tempolimits vorausgesetzt. Die Fahrbahn Vor dem Steintor und am Ostertorsteinweg sei jedoch fast durchgängig mit Nägeln als durchgezogener Linie markiert. Aber auch dort, wo die Nagellinie unterbrochen ist, dürften die Länge der Straßenbahnen (36 Meter), „die Unübersichtlichkeit durch die baulichen Gegebenheiten und das regelmäßig hohe Verkehrsaufkommen eine unklare Verkehrslage begründen“ – und damit ein Überholverbot.
Gibt es örtliche Schwerpunkte?
Vor allem seien die Linien 2, 3 und 10 im Steintor- und im Hulsbergviertel betroffen, aber auch in Walle und Gröpelingen komme es häufig zu Verzögerungen wegen Falschparkern, sagt Ralf Gießmann. Das Problem trete nicht nur im Bereich der Gleise, sondern auch mancher Haltestellen auf, die entweder direkt zugeparkt seien oder wegen parkender Autos nicht nahe genug angefahren werden könnten, um Rollstuhlfahrern einen barrierefreien Einstieg in Busse zu ermöglichen.
Was sind Ursachen, was könnte helfen?
Außer Achtlosigkeit und zunehmendem Parkdruck, schätzt Ralf Gießmann, spiele es eine Rolle, dass Autos und Straßenbahnen im Laufe der Zeit breiter geworden seien. Zusätzliche Fahrbahnmarkierungen könnten oft helfen. Eine große Hilfe wäre es, wenn die BSAG Abschlepp-Hoheit erhielte, wie es sie in Berlin für die Verkehrsbetriebe gibt. Vor wenigen Jahren hatte die Bremer Innenbehörde dem eine Absage erteilt. „Das würde die Reaktionszeit verkürzen“, ist Gießmann überzeugt. Unterdessen gilt: Wer den Abschleppdienst ruft, bezahlt ihn fürs Erste auch.
Welche Rechte haben Straßenbahnkunden oder -kundinnen?
„Auch Bürger haben die Möglichkeit, eine Ordnungswidrigkeitenanzeige bei der Polizei zu erstatten“, stellt Polizeisprecher Nils Matthiesen klar. Zu möglichen zivilrechtlichen Ansprüchen sagt Marja Sterk, Rechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Bremen: „Ist die Verspätung Ursache eines Verkehrsgeschehens, zum Beispiel Stau, Unfall, Falschparker, besteht gegen die Verursacherin oder den Verursacher grundsätzlich kein Anspruch auf Schadensersatz: Verspätungen aufgrund des Verkehrsgeschehens zählen zum allgemeinen Risiko.“