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Bremer Traditionslokal Genossenschaft will Horner Eck kaufen

Um das Traditionslokal und Kunstprojekt im Bremer Viertel zu erhalten, soll eine Vielzahl kleinerer Geldgeber helfen. Rund 1,3 Millionen Euro müssen bis Jahresende zusammen kommen. Dann endet das Vorkaufsrecht.
14.04.2023, 20:33 Uhr
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Genossenschaft will Horner Eck kaufen
Von Timo Thalmann

Es sind große Ziele, die mitschwingen. „Es geht auch darum, die Gentrifizierung des Viertels zu verhindern“, sagt Manou Bentz von der Kneipen-Genossenschaft Horner Eck. Seit rund drei Jahren ist das Traditionslokal im Viertel nicht nur eine Gaststätte, sondern auch eine Art selbstverwaltetes Kunstprojekt in einer eigens dazu gegründeten Genossenschaft. Das bedeutet, dass es neben dem gewöhnlichen Kneipenbetrieb Ausstellungen und sogar Kunststipendien in Form von Residenzen gibt. Für einen Monat ziehen Künstler nach Bremen, um in der Kneipe Kunst zu schaffen und auszustellen, finanziert durch die Genossenschaft. Ein Fotograf aus dem Kongo war da, Künstler aus Helsinki und Prag fanden so den Weg nach Bremen.

Dieser Raum für Kunst und Kultur soll nicht nur erhalten, sondern jetzt ausgebaut werden. Das ist auch ganz wörtlich zu verstehen, denn das Eckhaus in der Friesenstraße 95 im Viertel, in dem seit über 40 Jahre das Horner Eck residiert, steht zum Verkauf. Die Genossen wollen es darum übernehmen, bevor es ein Finanzinvestor tut. „Die Damen und Herren mit ihren Klemmbrettern unterm Arm waren schon da und haben bereits durchgerechnet, wie viele Mikroappartements in die insgesamt rund 250 Quadratmeter passen“, sagt Elard Lukaczik vom Vorstand der Kneipen-Genossenschaft. Auch denkbar, dass ein Käufer das ganze Gebäude von 1899 nebst Anbau aus den 1970-Jahren abreißt und im gefragten Viertel für ihn lukrative neue Eigentums- oder Mietwohnungen errichtet. Dann wäre es vorbei mit dem Charme der alten Eckkneipe, dem noch immer günstigen Wohnraum und den Kunstresidenzen.

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Schon einmal sah das so aus, als 2018 der Horner Eck-Gründer und langjährige Wirt Enno Barfs die Kultkneipe aufgab. Nicht nur das Ende einer Viertel-Institution, sondern auch ein Einschnitt für die direkt darüber residierende Wohngemeinschaft, die sich um ihr erweitertes Wohnzimmer gebracht sah. Beim Angebot des Vermieters, ob man den Laden nicht übernehmen wolle, griff man darum zu. So entstand die Idee der Kunstkneipe und der Genossenschaft mit inzwischen rund 60 Mitgliedern als Betriebsgesellschaft. Der Erhalt des Viertel-Treffpunkts stand im Vordergrund, nicht der Gewinn. „Die Kneipe muss sich nur selbst finanzieren und das tat sie vom ersten Tag an“, sagt Lukaczik. Aus den Überschüssen werden die Kunstprojekte bezahlt.

Damit das so weitergeht, gibt es nun also noch eine zweite Genossenschaft für den Kauf und Betrieb der ganzen Immobile. Geht nicht anders, weil Genossenschaften an ihren Gründungszweck gebunden sind und Gebäudebesitz war zunächst nicht vorgesehen. Aber wie auch bei der Kneipe-Übernahme haben die Verantwortlichen nicht lange überlegt, sondern möglichst schnell gegründet.

Allerdings ist finanziell hier ein viel größeres Rad zu drehen, als für den Weiterbetrieb des Horner Eck. Rund 1,3 Millionen Euro stehen im Raum, grob unterteilt in den Kaufpreis von 700.000 Euro, etwa 550.000 Euro für dringend notwendige energetische Sanierungen und 50.000 Euro Nebenkosten für Gebühren, Notare, Steuern sowie weitere Posten. Ausgangspunkt ist derzeit ein Eigenkapital von null, aber immerhin eine Vereinbarung über ein Vorkaufsrecht bis zum Januar 2024. „Die Besitzer sind uns wirklich wohl gesonnen“, meint Bentz.

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Um bis Jahresende das Geld zusammen zu kriegen, setzt die neue Horner Eckhaus Genossenschaft zum einen auf investierende Mitglieder, die ab 50 Euro Genossenschaftsanteile erwerben können. Weil dafür weder Zinsen noch Mitsprache geboten werden, ist das eher ein Engagement des guten Willens. Als zweites Finanzierungsinstrument sollen daher möglichst viele kleine Direktkredite an die Genossenschaft zum Einsatz kommen. Das heißt, private Geldgeber leihen eine beliebige Summe mit festgelegtem Zinssatz, Laufzeit und möglichst langer Kündigungsfrist an die Genossenschaft. „Viele kleinere Kredite machen uns dabei unabhängiger als ein großer Kreditgeber“, sagt Bentz.

Die Genossen setzen dafür auf das Schneeballsystem. „Wenn jeder der 60 Mitglieder der Kneipengenossenschaft es schafft, vier Kreditgeber zu finden, die wieder jeweils vier finden, die immer jeweils 1000 Euro Kredit gewähren, haben wir die Summe zusammen", rechnet sie vor und gibt sich optimistisch. „Ich habe inzwischen mit anderen Genossenschaften gesprochen, die auf diesem Weg 15 Millionen Euro für ein gemeinschaftliches Bauprojekt zusammengebracht haben.“ Weil zudem einige Banken solche Direktkredite als Eigenkapital anerkennen, müsse auch nicht alles, sondern irgendwas zwischen 60 und 80 Prozent der Summe zusammenkommen. „Je mehr, desto besser natürlich“.

Lukaczik, der in Doppelfunktion als Vorstand der Kneipen- und Aufsichtsrat der neuen Eckhaus-Genossenschaft fungiert, gibt sich überzeugt. „Nächstes Jahr haben wir das Haus gekauft.“

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