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Projekt in Planung Ein Mitmach-Supermarkt nach Pariser Vorbild

Der Bremer Verein Sozialökologie setzt auf regionalen und lokalen Handel. Jetzt plant er einen Mitmach-Supermarkt - was das bedeutet und warum Paris und New York eine Rolle spielen.
11.05.2022, 16:37 Uhr
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Ein Mitmach-Supermarkt nach Pariser Vorbild
Von Sigrid Schuer

Tom Boothe ist sich sicher: "Bremen hätte die ideale Größe für einen Mitmach-Supermarkt nach New Yorker oder Pariser Vorbild." Vor Kurzem war der US-amerikanische Filmregisseur beim Bremer Verein Sozialökologie zu Gast, um über den sogenannten Supercoop, den er 2016 in der französischen Hauptstadt mitgründete, zu berichten.

Boothe ist einer von 13 hauptamtlichen Angestellten des Supermarktes, der mitten im 18. Arrondissement, einem sehr armen Stadtteil mitten in Paris liegt. Die gebürtige Französin Claire Klindt, die im Bremer Viertel lebt, entdeckte diesen Supermarkt in Paris durch Zufall und war auf Anhieb begeistert. Die Urmutter dieser inzwischen europa- und deutschlandweiten Supercoop-Bewegung wirtschaftet seit fast 50 Jahren im New Yorker Stadtteil Brooklyn mit Erfolg.

Das Geheimnis des Mitmach-Supermarkts: Die Mitglieder der Kooperative verpflichten sich drei Stunden pro Monat zur Mitarbeit in dem gemeinnützigen Projekt und haben ein Mitbestimmungsrecht über die Waren, die dort gehandelt werden. In Brooklyn steht beispielsweise die Psychoanalytikerin neben dem Designer, um dort mitzuarbeiten. In Paris hat die Kooperative etwa 6000 Mitglieder, 4000 von ihnen arbeiten aktiv in dem Supermarkt mit. Das Schöne daran sei die soziale Komponente, betont Boothe: Die Mitglieder hätten einfach Freude daran, zusammenzuarbeiten, sogar Freundschaften entstünden.

Wo gibt es in Deutschland Mitmach-Supermärkte?

Die Recherchen der Wahlbremerin Klindt ergaben: In Bremen gibt es bisher noch nichts Vergleichbares, in Hamburg-Altona entsteht gerade ein Supercoop. In München gibt es bereits einen dieser besonderen Supermärkte, genauso wie in Berlin. Dort besitzt die Kooperative sogar eigenes Land, um von Biobauern Obst und Gemüse anbauen zu lassen. Krisen- und Kriegsszenarien sowie zerbrechende Lieferketten führten zu einem hohen Maß an Unsicherheit. Davon seien nicht zuletzt auch die Grundbedürfnisse der Menschen in Bremen, das eine hohe Armutsquote habe, betroffen. Wohnen und Lebensmittel, so Peter Bargfrede vom Verein Sozialökologie, der Name sei Programm. Nun sei Bremen nicht New York, aber die räumliche Nähe in der Hansestadt habe durchaus Vorteile, sagt Klindt.

Was sind die Vorteile eines Mitmach-Supermarkts?

"Anders als in New York etwa kann bei uns quasi direkt vor der Haustür produziert werden", betont sie. Für Bargfrede und Klindt als Sprecher der Bremer Supercoop-Initiative liegt auf der Hand, dass sich solch ein ökologisch und sozial geprägter Mitmach-Vollsortimenter ideal auch für die Belebung der von Leerstand "gebeutelten Innenstadt" eignen würde. Eine Größe zwischen 800 und 1000 Quadratmetern sei ideal, empfiehlt Boothe. Die Rechnung sei  einfach: Je mehr Platz, desto mehr Kunden. Ein weiterer Tipp: Möglichst auf Kundenwünsche einzugehen. Boothe prägt dafür den Begriff "einer öffentlichen Bibliothek für Lebensmittel". Für jede und jeden sollte etwas im Angebot sein. Da Bio-Lebensmittel 20 bis 30 Prozent preiswerter angeboten werden könnten, werde ein Mitnahme- beziehungsweise Lerneffekt erzielt. Exzellente Wein- und Käsesorten werden laut Boothe in Paris ebenfalls deutlich unter dem Preissegment anderer Supermärkte angeboten. Wie dieses Angebot realisiert werden kann? "Ganz einfach, wir haben die Personalkosten um rund drei Viertel reduziert. Möglich wird das durch die ehrenamtliche Tätigkeit unserer Mitglieder. Außerdem verzichten wir auf Werbung", betont er.

Konkurrenz durch die preiswerten Bio-Segmente großer Discounter sehen Bargfrede und Klindt nicht. Ihnen geht es vor allem um komplette, maximale Transparenz – oder, wie Boothe es formuliert: "Es geht um gute Lebensmittel zu guten Preisen, nicht um das Gewinnmachen oder gar um die Steigerung von Aktien-Dividenden." Bargfrede ergänzt, dass sich wenige Lebensmittelriesen 90 Prozent des Handels in Deutschland untereinander aufgeteilt hätten und den Erzeugern die Preise diktierten. Die Inhaber-Familien zählten zu den reichsten Deutschen. Sein Fazit: "Das zeigt, dass mit Lebensmitteln immer noch viel Geld verdient wird."

Wie könnte das Konzept in Bremen funktionieren?

Um das Projekt in Bremen zum Laufen zu bringen, bräuchte die Arbeitsgruppe Supercoop, die rund 50 Interessierte zählt, 800 bis 1000 Mitglieder – um genügend Startkapital für einen solchen Supermarkt zu generieren. Jedes Mitglied zahle einen Obolus zwischen 50 und 150 Euro. Auch eine Crowdfunding-Kampagne sei denkbar. Eine entscheidende Rolle werde allerdings die Unterstützung durch die Stadt Bremen spielen, sagen Bargfrede und Klindt. So, wie das in Paris auch der Fall gewesen sei. Die Wirtschaftsförderung habe bereits bewiesen, dass sie bereit sei, einiges für die Belebung und gegen den Leerstand in der Innenstadt zu unternehmen. In Frankreich gebe es beispielsweise das niedrigschwellige Nonprofit-Finanzierungs-Programm "France Active". In Deutschland sei die GLS Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken auf solche Finanzierungsfälle spezialisiert. Aber auch eine Finanzierung etwa über die Sparkasse könne angedacht werden. Ohne eine Bank-Finanzierung werde es nicht gehen, betont Booth.

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Info

Weitere Information unter kontakt@supercoop-bremen.de. Am 31. Mai wird im Kino City 46, Birkenstraße 1, der Film "Park Slope Food Coop" von Tom Boothe gezeigt.

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