Haustieren wie Sittich, Katze und Hund geht es in Bremen häufig lausig. Das ist das Ergebnis von 817 Kontrollen des Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienstes des Landes, die der LMTVET im Jahr 2022 durchgeführt hat. Dabei galt das Augenmerk der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte „Tierhaltungen im privaten Bereich“, wie es im Bericht über Tierschutz und Tiergesundheit heißt, der von der Verbraucherschutzsenatorin herausgegeben wird. Am Ende wurden fünf Tierhaltungs- und Betreuungsverbote ausgesprochen.
In 22 Fällen wurden Tiere ihren Besitzern wegen nicht artgerechter Haltung weggenommen. 17 Straf-, 52 Ordnungswidrigkeits- und 24 Verwaltungsverfahren wurden eingeleitet. Der Bericht führt außerdem drei Fälle auf, in denen trotz Verbots erneut Tiere unter Bedingungen gehalten wurden, wie sie "zuvor zur Fortnahme der Tiere geführt hatten".
Vor „besondere Herausforderungen“ habe die Veterinäre zum Beispiel die Haltung von Meerschweinchen gestellt. Eine Frau hatte zunächst nur zwei Tiere, allerdings ohne zu ahnen, dass es ein Pärchen war – und was das nach sich zieht. Denn Meerschweinchen werden bereits im ersten Lebensmonat geschlechtsreif und sind das ganze Jahr über fortpflanzungsfähig. Je Wurf kommen die Kleinnager auf zwei bis vier Junge. Am Ende hatte die Frau etwa 80 Tiere zu Hause, viel zu viele, als dass ein Tierheim sie hätte aufnehmen können. Die Angelegenheit sei für alle Beteiligten glücklich ausgegangen, heißt es: „Die Community von Meerschweinchenfreunden aus dem Großraum Hamburg erklärte sich bereit, die Tiere zu übernehmen.“
Obwohl Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes besagt, dass sich jeder, der Tiere hält oder betreut, mit deren Ernährung, Pflege und „verhaltensgerechten Unterbringung“ auskennen muss, laufe vieles schief, betont Diana Scheffter, die Autorin des LMTVET-Berichts. Auf die Schilderung wirklich krasser Fälle verzichtet sie, sie schildert lediglich die Konsequenzen. So hätten diverse Hunde unter Polizeischutz „aus katastrophalen Bedingungen“ befreit werden müssen. „Zu leicht kann sich jede Person ein Tier anschaffen und halten“, sagt Scheffter. Die Überprüfung angehender Tierbesitzer sei nicht vorgeschrieben.
Und sie wäre auch kaum möglich, wie Sibylle Wenzel, Bremens Landestierschutzbeauftragte, feststellt. Wohnungen oder geschlossene Ställe, die es in Bremen „eher weniger“ gebe, „sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich“. Die Feststellung einer tierschutzwidrigen Haltung sei damit eher dem Zufall überlassen.
Kaninchen brauchen Platz für "mindestens drei Hoppelsprünge nacheinander"
Fast immer gehen laut Behörde die Kontrollbesuche der Veterinäre auf Anrufe oder Mails Dritter zurück: „Die desolate (unkundige) Haltung oder der desolate Zustand des Tieres fällt erst auf, wenn Dritte das Tier zu Gesicht bekommen.“ Oftmals sei Halterinnen und Haltern gar nicht bewusst, welche Bedürfnisse ihre Tiere haben. Vogel- und Nagerkäfige, wie sie im Fachhandel zu bekommen sind, seien oftmals viel zu klein bemessen.
Kaninchen brauchen beispielsweise Platz für „mindestens drei Hoppelsprünge nacheinander“, also ein 2,40 Meter langes Gehege, das obendrein so hoch sein muss, dass sie sich aufrichten können, ohne mit den Ohren an das Dach anzustoßen. Nymphensittiche wiederum dürfen nicht ohne Artgenossen gehalten werden.
Problematisch ist demnach auch das Thema artgerechter Ernährung: So war laut Bericht eine Katze so dick, dass sie kaum noch laufen konnte – das Tier wurde auf Diät gesetzt. „Unter engmaschiger tierärztlicher und amtstierärztlicher Überwachung speckte das Tier innerhalb eines halben Jahres auf die Hälfte seines Gewichts ab.“ Ebenfalls häufig falsch eingeschätzt werden die laufenden Kosten. So müsse für die Haltung eines Pferdes etwa 5000 Euro pro Jahr kalkuliert werden, was nicht jedem klar sei.
„Aus meiner Sicht gibt es kein Grundrecht auf die Haltung von Tieren“, sagt Sibylle Wenzel. Der in Bremen geplante Hundeführerschein könnte ein erster Schritt zur Problemlösung sein. Oder auch eine sogenannte Positivliste: Tierhaltung wird „grundsätzlich verboten, und eine Ausnahme hiervon ist nur für gelistete Tiere erlaubt“, sagt Wenzel. Wolle der Staat seine grundgesetzliche Verpflichtung zum Tierschutz „ehrlich umsetzen“, komme er jedenfalls nicht an strengeren Regelungen vorbei.