Die Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und Grünen sowie Bremern und Bremerhavenern wird bald drei Jahre alt, abgearbeitet sind sie noch nicht. So lässt die verabredete Neuordnung der innerbremischen Finanzbeziehungen auf sich warten. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hofft, dass „es zu einer Neuregelung kommt, die wie der aktuell gültige Finanzausgleich auf einheitlichen Regeln beruht, die von Bremen und Bremerhaven als sinnvoll erachtet und akzeptiert wird“.
Eine Expertise der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner sollte im Sommer den Weg zu einem Durchbruch und Kompromiss bahnen, aber die Bewertung der Ergebnisse fiel in Bremen und Bremerhaven unterschiedlich aus. Vor einigen Wochen wurden erneut Gespräche zwischen den Spitzen des Finanzressorts und des Bremerhavener Magistrats aufgenommen. Sie sollen nach dem Willen des Finanzressorts bis Ende März abgeschlossen sein.

In der Finanzverteilung zwischen dem Land und seinen beiden Städten werden auch die besonderen Problemlagen Bremerhavens berücksichtigt.
Im Sommer 2015 war eine Senatsarbeitsgruppe eingerichtet worden, die „mit dem Abbau von Doppelstrukturen zwischen den beiden Gemeinden Synergien heben“ sollte. Zu den Vorschlägen zählten „das Angebot“ einer gemeinsamen Landespolizei, ein gemeinsames Facility-Management von Immobilien Bremen und Seestadt Immobilien sowie die Übernahme des Personalservice samt Gehaltsabrechnung vom bremischen Eigenbetrieb Performa Nord, der für Stadt und Land Bremen zuständig ist. Das gemeinsame Facility-Management ist laut Finanzressort auf den Weg gebracht, eine gemeinsame Landespolizei vom Tisch, bei der Umsetzung mit Performa Nord hakt es.
Vor einem Jahr hatte Finanz-Staatsrat Henning Lühr das Papier „Kommunaler Finanzausgleich im Land Bremen: Ausgangslage und Anpassungsbedarf“ vorgelegt. Die Städte werden bei den Schlüsselzuweisungen nach Einwohnern sowie nach „Bedarfsindikatoren“ bedacht, die „spezifische Problemlagen“ berücksichtigen – wie beispielsweise die Zahl der Einpendler und den Anteil an Empfängern von staatlichen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. 2017 hat Bremerhaven laut Finanzressort bei einem Anteil von 16,7 Prozent der Landeseinwohner etwa 21 Prozent der Schlüsselzuweisungen (102 Millionen Euro) erhalten. „Ganz bewusst wird schon dadurch die Kommune Bremerhaven bessergestellt als die Kommune Bremen. Das war und ist politisch gewollt – auch von mir. Dazu stehe ich“, sagt Linnert.
„Bessere Ausstattung als Bremen“
Ferner werden Ergänzungszuweisungen gezahlt, sie sollen „der Bewältigung überdurchschnittlicher Problemlagen der Stadt dienen“. Die Städte erhalten zudem Strukturhilfen, Ausgabenerstattungen für Lehrer sowie Geld für Investitionen. Vom geplanten Investitionsanteil des Landes entfielen 2017 gut 41 Prozent auf Bremerhaven (Investitionen in die stadtbremischen Häfen ausgeklammert). Trotz solcher Zahlen „wird immer wieder suggeriert, dass Bremerhaven benachteiligt wird“, sagt Karoline Linnert. „Fakt ist: Im kommunalen Finanzausgleich wird die schwierige Lage Bremerhavens mit hoher Armuts- und Arbeitslosenquote berücksichtigt.“
Der Doppelhaushalt Bremerhavens für dieses und nächstes Jahr steht gewissermaßen unter Vorbehalt. In diesem Jahr sind sogenannte globale Minderausgaben in Höhe von 19,2 Millionen Euro, im nächsten von 23 Millionen eingeplant. Darunter zu verstehen ist eine Art allgemeiner Einsparungsverpflichtung. Damit liegt der Umfang über zwei Prozent des Gesamthaushalts, was im Sinne der Haushaltsklarheit und -wahrheit allgemein als zu hoch gilt, da eine realistische Perspektive bestehen muss, die Verpflichtungen einzulösen. Der Stabilitätsrat hatte Bremen im Dezember dazu aufgefordert, konkret zu benennen, wie die globalen Minderausgaben aufgelöst werden sollen.
Auch der Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen hat sich – gemeinsam mit der überörtlichen Gemeindeprüfung – mit den Finanzbeziehungen zwischen dem Land Bremen und seinen beiden Städten befasst. Der Umfang der Finanzzuweisungen an Bremen und Bremerhaven sei beträchtlich, es mache Sinn, sich die Verteilung genauer anzusehen, sagt der Vizepräsident des Rechnungshofs, Detlef Meyer-Stender. Die Grundlage bildeten die allgemeinen Maßstäbe: Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Gesetzmäßigkeit.
In der Expertise, datiert von August 2017, ging es um die Finanzierung von Landesaufgaben, die von den Gemeinden erledigt werden. Dabei wird Reformbedarf festgestellt. Es gebe eine Reihe von Schwachstellen in der gegenwärtigen Praxis und den gesetzlichen Grundlagen, so Bettina Sokol, Präsidentin des Rechnungshofs und gesetzlich mit der Gemeindeprüfung beauftragt. Oft sei „von Mal zu Mal“ entschieden worden, mitunter auch am Gesetz vorbei. Temporäre Lösungen als Ergebnis schwieriger Verhandlungen seien zwar nachvollziehbar, „aber das kann es eigentlich nicht sein. Der Gesetzgeber hat ein geordnetes Verfahren mit nachvollziehbaren Maßstäben vorzuschreiben“, so Meyer-Stender. Es sei unerlässlich, „immer wieder aufbrechende Streitpunkte gesetzlich zu regeln“.
Verteilung ab 2020
Zu den Schwachstellen gehöre ebenfalls, dass sich in Bremen die Finanzierung von kommunalen und Landesaufgaben gelegentlich vermischten. „Schon aus Gründen der Transparenz wäre eine klarere Handhabung besser“, so Bettina Sokol. Die Finanzsenatorin räumt Nachholbedarf ein: „Seit Jahren wird an einer Verbesserung der Stadt-Land-Trennung gearbeitet, zum Beispiel in der Finanzplanung und der Haushaltsaufstellung. Wir sind da vorangekommen, aber noch nicht am Ziel.“
Wie Bettina Sokol ergänzt, sei eine der gesetzlich zu klärenden Kernfragen überdies, ob beiden Städten jeweils ein Budget für bestimmte Aufgaben zugewiesen werde, über das sie mehr oder weniger frei verfügen könnten, oder ob „spitz abgerechnet“ werde, also die tatsächlich entstandenen Kosten nachgewiesen und erstattet werden. Und, so die Präsidentin: „Falls es bei der bisherigen Vereinbarung von Budgets und Zielzahlen bliebe, sollte im Gesetz aber auch geregelt werden, was geschehen soll, wenn keine Vereinbarung zustande kommt.“
Die Verhandlungspartner rechnen damit, dass sich die Lage von 2020 an entspannt. Wie das Plus in der Landeskasse aus der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verteilt wird, „sollte aus meiner Sicht Teil der Verhandlungen über den kommunalen Finanzausgleich sein“, sagt die Finanzsenatorin. Es liege in der Natur der Umstände, dass es „Auseinandersetzungen über die Verteilung knapper Mittel“ gebe. Wichtig sei, dass der Finanzausgleich auch künftig „regelbasiert, transparent und nachvollziehbar ist“.
Dem Rechnungshof sei von Anfang an klar gewesen, dass „das Brett, das zu durchbohren ist, sehr dick ist“. Wichtig sei, zu akzeptieren, dass die Landesverfassung gleichwertige Lebensverhältnisse in beiden Städten vorschreibe, „aber absolut identisch kann das nicht sein. Es kann nicht nach Perfektion gestrebt werden. Damit erreicht man meist gar nichts“, sagt Meyer-Stender, „man muss sehen, wie man das einigermaßen praktikabel hinbekommt“.