Herr Grantz, was erwarten Sie von einer Neuregelung der Finanzverteilung zwischen dem Land Bremen und seinen beiden Kommunen?
Melf Grantz: Wenn es denn zu einer Neuregelung kommt, die ich ausgesprochen begrüßen würde, benötigen wir die Stärkung der Finanzkraft der beiden Kommunen Bremerhaven und Bremen. Aus Bremerhavener Sicht ist der nachhaltige Ausgleich des strukturellen Defizits unseres kommunalen Haushalts unabdingbar. Darüber hinaus erwarte ich mir einen neuen Schub für Investitionen in Zukunftsprojekte.
Was darf keinesfalls passieren?
Nicht zielführend wäre eine Fortschreibung des Status quo oder, ich mag das nicht mal ansatzweise in Erwägung ziehen, eine Niveauabsenkung. Denn eines muss klar sein, wir benötigen in den Städten Bremen und Bremerhaven, die ja erst gemeinsam das Land Bremen bilden, gleiche Chancen. In der Landesverfassung ist niedergelegt, dass das Land auf gleichwertige Lebensverhältnisse in den beiden Gemeinden hinzuwirken hat. Hieran muss der Senat sich messen lassen. Ein Ungleichgewicht können wir uns aus meiner Sicht nicht leisten.
Wurde Bremerhaven in der Vergangenheit ungerecht behandelt?
Es geht nicht um eine ungerechte Behandlung, sondern um die anhaltende Unterfinanzierung beider Städte. Besondere Herausforderungen, denen beide Städte ausgesetzt sind, wurden durch Aufgabenverlagerungen durch das Land finanziell nicht unterlegt; ich denke hier beispielsweise an den Kita-Ausbau oder die Herausforderungen der Inklusion.
Hat die Stadt Bremen Ihrer Meinung nach finanzielle Vorteile, weil das Finanzgeflecht zwischen Land und Stadt Bremen sehr eng, womöglich an manchen Stellen sogar unübersichtlich ist?
Unübersichtlich ist treffend ausgedrückt. Schlussendlich möchte ich es mir nicht anmaßen, dies abschließend zu beurteilen, weil meiner Meinung nach die Finanzsenatorin bislang nicht für die nötige Transparenz gesorgt hat.
Was wäre nötig, um eine dauerhafte Regelung zu finden, die nicht immer wieder zu Auseinandersetzungen – oder sogar, wie man hört, gelegentlich zu Anfeindungen – führt?
Ich meine, dass Transparenz in allen Belangen von großer Bedeutung ist. Nur so kann der Eindruck vermieden werden, dass das Land in der Behandlung seiner beiden Stadtgemeinden mit zweierlei Maß misst.
Welche Rolle spielen gewisse Emotionen?
Emotionen gehören zu solchen Auseinandersetzungen und sollten allen Beteiligten zugestanden werden. So sollte unsere Landeshauptstadt sich bei aller Wichtigkeit, die ihr zukommt, klar sein, dass sie nur deswegen Landeshauptstadt ist, weil es in diesem Bundesland auch die Stadtgemeinde Bremerhaven gibt. Bei aller Emotionalität ist aber die Suche nach Lösungen auf der sachlichen Ebene entscheidend.
Rechnen Sie damit, dass sich die Lage ab 2020 entspannt, weil sich die Haushaltslage voraussichtlich etwas entspannt?
Ich gehe fest davon aus.
Welche Erwartungen hegen Sie an die Verteilung der rund 320 Millionen Euro, die Bremen ab 2020 mehr zur Verfügung stehen?
Alle, die politische Verantwortung tragen, müssen ein deutliches Signal für die Bevölkerung setzen, dass die Zeit des Kaputtsparens ein Ende haben muss. Die zusätzlichen Mittel müssen zur spürbaren und dauerhaften Verbesserung der Lebensverhältnisse in den beiden Städten eingesetzt werden. Nur das schafft auch Vertrauen bei den Menschen in die Politik, die so sehen, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern zu Lösungen und Verbesserungen im Alltag beitragen.
Der Anteil der Investitionen lag laut Finanzressort im vergangenen Jahr für Bremerhaven bei etwa 41 Prozent. Das spiegelt nicht das Einwohnerverhältnis der beiden Städte.
Ich halte nicht viel von solchen Vergleichen, weil man je nach Sichtweise auch andere Berechnungen anstellen kann. So kann man beispielsweise den Finanzbedarf eines Katasteramts wohl kaum an der Zahl von Einwohnern festmachen, sondern an der Zahl der Grundstücke, die zu vermessen und zu kartieren sind. Wenn dann auch noch in der Stadtgemeinde Bremen privatwirtschaftliche Anbieter einen Teil der Aufgaben übernehmen, die es in Bremerhaven nicht gibt, wird der Vergleich richtig schief.